"Professionalität kommt nicht von allein"

Jörg Hossenfelder, Geschäftsführer des Marktforschungsunternehmens Luenendonk in Kaufbeuren, über professionelles Einkaufsmanagement.

Herr Hossenfelder, in einer Studie zur Zukunft des Einkaufs haben Sie kürzlich festgestellt, dass der Stellenwert des Einkaufs in den Unternehmen enorm gestiegen ist. Heißt das auch, dass die Einkaufsabteilungen generell an Professionalität zugelegt haben?

Hossenfelder: Nicht überall - da besteht kein Automatismus. Gemeinsam mit führenden Einkaufs- und Supply Chain Management-Beratungen haben wir analysiert, was ein professionelles Einkaufsmanagement heutzutage auszeichnet. Wir wollten herausarbeiten, wie Einkaufsabteilungen idealerweise aufgestellt sein sollten. Sie dürfen jedoch davon ausgehen, dass etwa 80 Prozent der Unternehmen in Deutschland diesem Idealbild in allen Punkten nicht entsprechen.

Woran können Einkäufer, die auf Jobsuche sind, erkennen, dass ein Unternehmen nicht nur sagt, dass es dem Einkauf zentrale Bedeutung beimisst, sondern tatsächlich auch professionell aufgestellt ist?

Professionalität im Einkauf beginnt mit standardisierten Prozessen. Wer im Einkauf auf Jobsuche ist, kann zum Beispiel seinen neuen potenziellen Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch danach fragen, wie es mit dem Schnittstellenmanagement zu den Lieferanten aussieht. Ein erstes wichtiges Indiz für Professionalität ist die Frage, ob die Standardprozesse auf der Schnittstelle zu den Lieferanten per IT abgewickelt werden. Wichtig zu erfahren wäre auch, ob ein Unternehmen nicht nur Kontakt zu seinen unmittelbaren Lieferanten unterhält, sondern die gesamte Wertschöpfungskette im Blick hat und beispielsweise auch im regelmäßigen Austausch mit den Vorlieferanten steht. Darüber kann man sich auch im Bewerbungsgespräch ruhig unterhalten.

Ist es ein Zeichen für die Professionalität einer Einkaufsabteilung, dass sie global einkauft?

Nicht automatisch. Der globale Einkauf eignet sich nicht für jedes Unternehmen. Für ein reines Handelsunternehmen ist es oft sinnvoll, in Niedriglohnländern einzukaufen. Im produzierenden Gewerbe muss man hingegen schon genau überlegen, mit welchen strategischen Lieferanten man international zusammenarbeitet. Qualität und Lieferzuverlässigkeit sowie Transportkosten spielen hier eine nicht zu unterschätzende Rolle. Viele Unternehmen sind deshalb dazu übergegangen, nahe beim Kunden zu produzieren.

Wodurch zeichnet sich sonst noch eine gut geführte Einkaufsabteilung aus?

Der moderne Einkauf wird als Management externer Wertschöpfung und Innovation definiert. Es gilt, ausgewählte Zulieferer zu strategischen Partnern aufzubauen. Das heißt: Wenn ein Bewerber das Gefühl hat, dass er es mit einem Unternehmen zu tun hat, in dem der Einkauf noch um den geringsten Preisvorteil verhandelt, sollte er kritischer hinschauen. Richtig ist, dass der Einkauf dafür verantwortlich ist, das Umlaufvermögen des Unternehmens zu optimieren. Wenn das aber bedeutet, dass Lieferanten bis aufs Blut ausgepresst werden, ist das nicht nur ethisch zweifelhaft, es bedeutet auch, dass die Einkaufsabteilung sich zu wenig mit den heute wirklich renditewirksamen Themen befasst: zum Beispiel gemeinsam mit der Finanzabteilung dafür zu sorgen, dass Währungs- und Rohpreisschwankungen nicht die ursprünglich kalkulierten Erträge auffressen.

Das Gespräch führte Julia Leendertse.

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