"Ich musste mich durchbeißen - wie die Männer auch"

Frauen, die in der Automobilindustrie in technischen Funktionen Führungsverantwortung tragen, kann man förmlich mit der Lupe suchen. Dafür aber allein die Männer verantwortlich zu machen, ist Michele Zimmermann zu einseitig.

"Es liegt nicht nur daran, dass Männer es nicht wollen, sondern auch daran, dass der frauliche Nachwuchs einfach fehlt", sagt die 45-jährige Ingenieurin. "Ein Werk zu führen mit 450 Mitarbeitern, das muss man auch wollen, denn das macht man nicht an einem Acht-Stunden-Tag", sagt sie aus Erfahrung.

Denn genau das ist es, was Michele Zimmermann viele Jahre getan hat: Beim amerikanischen Automobilzulieferer BorgWarner hat sie ein Werk geleitet. Seit einem Jahr nun trägt sie als Program Manager Verantwortung dafür, dass internationale Projekte abgearbeitet werden. Dabei sorgt sie dafür, dass alle beteiligten Funktionen wie Einkauf, Design, Entwicklung, Vertrieb, Lieferantenentwicklung, Controlling und die Werke in verschiedenen Ländern nach den gleichen Vorgaben arbeiten, wobei Kosten- wie Zeitvorgaben konsequent eingehalten werden. Inhaltlich hat Zimmermann es bei BorgWarner mit Antriebs­strang-Technologie zu tun. Das Unternehmen ist in der Branche bekannt für seine Getriebekomponenten, besonders elektro-hydraulische Steuerungen, Getriebesteuerungen, Kupplungsbeläge und Einwegkupplungen sowie für  Turbolader, Ventilsteuerungen und Allradantriebssysteme. Der börsennotierte Zulieferer aus Auburn Hills in Michigan macht 5,5 Milliarden US-Dollar Umsatz, von denen Michele Zimmermann immerhin 300 Millionen US-Dollar erheblich mitverantwortet. Seit sechs Jahren ist sie dort und trägt nun bereits seit fünf Jahren in Arnstadt im BorgWarner-Werk "volle Profit- und Loss-Verantwortung".

Dass es der Karriere dauerhaft keinen Abbruch tun muss, wenn man als Jugendlicher mal eine Weile keine Lust aufs Pauken hat, hat Michele Zimmermann bewiesen. Zur Zeit des Abis waren Pferde ihre Leidenschaft und darauf, sagt sie, "war ich sehr fokussiert". Direkt wieder weiter zu lernen, war nicht nach ihrem Geschmack, eher war die Reiterin sehr "hands-on" orientiert. So machte sie erstmal eine Lehre als Technische Zeichnerin bei Messerschmitt-Bölkow-Blohm (heute Deutsche Airbus) - um schon schnell festzustellen: "Da war ich völlig unterfordert". So entstand dann doch der Entschluss, sich wieder der Theorie zuzuwenden und in Bremen Produktionstechnik und Werkstoffwissenschaften zu studieren. Letztlich ging sie sogar in die Grundlagenforschung hinein, denn in ihrer Promotion am Institut für Verfahrenstechnik beforschte Zimmermann das "Nitrieren von nichtrostenden Stählen".

Nach der Promotion wurde es dann in der ersten Stelle gleich wieder ganz lebenspraktisch. In Leipzig hatte Zimmermann die Chance bei New Venture Gear, einem Unternehmen, das später von Magna gekauft wurde, ein Start-up auf der "grünen Wiese" mit aufzubauen. Den Hersteller von Verteilergetrieben, der damals erst 20 Mitarbeiter hatte, hat sie "von Null mit hochgezogen" - zunächst als Fertigungsingenieurin. Nach zwei Jahren trug sie dann in der Rolle der Produktionsleiterin bereits Verantwortung für 130 Mitarbeiter, Schichtleitung, Instandhaltung, Produktion und Fertigungstechnik. Ja, durchbeißen hat sie sich müssen, sagt Zimmermann, und sieht darin keine besondere Situation für eine Frau: "Wie jeder Mann das auch muss". Bei Männern wie Frauen, ist sie überzeugt, gelinge das nur, "wenn man Lust hat auf die Aufgabe, darin gut ist und ständig neue Herausforderungen sucht".

Beim "Durchbeißen" hat auch geholfen, dass die Ingenieurin irgendwann erkannte: Um die Ebene der Werksleiterin zu erreichen, ist neben dem Ingenieurwissen auch kaufmännisches Know-how erforderlich. So entschloss sie sich dazu, an der Handelshochschule Leipzig (HHL) nebenberuflich einen MBA zu absolvieren.

Wer nun glaubt, das alles müsse dann wohl zu Lasten eines erfüllten Privatlebens und der Mutterschaft gehen, kann auch hier mit einem Gegenbeweis rechnen: Denn neben Job und MBA brachte Zimmermann auch noch ihre Tochter Emma zur Welt, die heute sieben Jahre alt ist. Mit guter Organisation sei das zu schaffen, sagt sie, und hofft, auch andere Frauen zum Ingenieurberuf motivieren zu können: "Im kreativen Prozess spielt die Gleichverteilung von Männern und Frauen eine entscheidende Rolle - allerdings ist es in der Autoindustrie bis dahin noch ein weiter Weg." Annette Eicker

Ladies in MINT