Lust auf deutsche Nobelkarossen

Die deutsche Autoindustrie will 2013 weiter wachsen. Auch wenn die Krise den Europäern den Autoverkauf verleiden sollte, bleiben die Jobaussichten gut. Denn drei von vier Fahrzeugen gehen heute schon in den Export und die Lust auf Karossen aus Deutschland ist weltweit ungebrochen.

CHANCEN

Um den Sprung in die Welt der umweltverträglicheren Mobilität zu schaffen, benötigen die Autokonzerne auch hierzulande weiterhin fachkompetentes Personal. Der Volkswagenkonzern beispielsweise, der bis 2018 weltgrößter Autobauer werden möchte, will bis dahin 65.000 weitere Mitarbeiter einstellen, um seine Produktion von derzeit acht auf zehn Millionen Autos zu steigern. 6.000 Jobs sollen dabei in Deutschland entstehen. Porsche plant bis 2018 seine Belegschaft allein in Deutschland jedes Jahr um rund 1.000 Köpfe aufzustocken.Akademiker haben also in der Branche weiterhin beste Karrierechancen.  

Die neuen Mitarbeiter dürfen sich unter anderem die Köpfe darüber zerbrechen, wie sie den klassischen Verbrennungsmotor um 25 Prozent sparsamer machen. Zugleich gewinnen andere Technologien auf dem Weg zum bezahlbaren Nullemissionsauto an Bedeutung. „Wir sind gut beraten, wenn wir mit mehreren Technologien gleichzeitig, also dem optimierten Verbrennungsmotor, dem Elektroantrieb, der Brennstoffzelle und dem Hybridantrieb, in die Zukunft gehen“, beschreibt Matthias Wissmann, Chef des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA), die Aufgabenstellung für das nächste Jahrzehnt.

Passend zu den Technologien sind Ingenieure, die Kompetenz in Mechatronik und Elektrotechnik mitbringen, gesuchte Leute, aber auch elektro-chemisches Know-how ist hoch willkommen. Und weil zum Beispiel das Wasserstoffauto auch ein flächendeckendes Tankstellennetz braucht, suchen die Zulieferer und Kooperations­partner der Autokonzerne Ingenieure mit Know-how in Verfahrens- und Energietechnik, in Thermodynamik und Chemie. Sie sollen Anlagen zur Erzeugung, Speicherung und zum Transport von Wasserstoff entwickeln.

Der hohe Innovationsdruck in der Automobil­­in­dustrie eröffnet technikbegeisterten Akade­mikern aber noch zahlreiche weitere Auf­gabenfelder. Etwa in der Entwicklung sogenannter Human-Machine-Interfa­ces­ (HMI), also Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine: Autos, die auf Sprachbefehle hören und auf Bewegungen der Hände und Arme reagieren. 

Längst sind Autos zu High-Tech-Computern geworden: Kameras und Sensoren überwachen den Raum vor, neben und hinter dem Fahrzeug, geben Warnungen an den Fahrer weiter und greifen, wenn der in Gefahrensituationen nicht reagiert, automatisch in das Geschehen ein. Die vielen Schalter und Knöpfe am Lenkrad, in der Mittelkonsole und am Armaturenbrett wirken da fast antiquiert. Dass auch sie verschwinden können, daran arbeiten HMI-Experten intensiv. Ihre Aufgabe ist es, die Bedienung des Autos in Zeiten zunehmender Assistenzsysteme so einfach wie möglich zu gestalten – auch weil die Autokäufer immer älter werden. Und die ältere Klientel liebt elektronische Helfer wie automatische Einparksysteme, Abstandswarner und Notfallbremsassistenten. Um sie zu entwickeln, brauchen Hersteller und Zulieferer wie Bosch, Continental oder Bertrandt Experten, die sich in Engineering, Grafikdesign und in der kognitiven Psychologie auskennen. Gute Chancen haben hier neben Ingenieuren auch Softwareentwickler, Elektroniker, Grafik- und Produktdesigner sowie Psychologen.

RISIKEN

Das stagnierende Geschäft in Westeuropa, die gesunkene Nachfrage in Südeuropa und die Eurokrise bereiten der Autobranche Kopfschmerzen. Vor allem für Opel, Renault, Fiat und PSA Peugeot Citroën, die vorwiegend in Europa verkaufen, sind die Zeiten hart.  

Den Big Three – VW, Daimler und BMW – bereitet dagegen der zunehmend aufkommende Protektionismus in den Schwellenländern Sorge. So erhebt China Einfuhrzölle von 25 Prozent, Argentinien verhängte Importrestriktionen und fordert nun die Kompensation von Importen durch Exporte in gleicher Höhe – und Indien verlangt schon mal bis zu 100 Prozent Zoll.

Wenn sich diese finanziellen Hürden nicht über Freihandelsabkommen beseitigen lassen, bleibt den Herstellern nur ein Weg, den sie schon jetzt beschreiten: die Errichtung eigener Produktionen in den Zielmärkten. Das aber geht langfristig nur auf Kosten der Arbeitsplätze in Deutschland. Bis 2020 droht der deutschen Autobranche am Standort Deutschland ein Verlust von 50.000 festen Stellen, prophezeit Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer. Hauptgrund – neben der Verlagerung ins Ausland – ist die zunehmende Automatisierung. Bislang sind deutsche Autohersteller gerade in den Schwellenländern noch erstklassig aufgestellt. Doch auch sie merken bereits, dass sich die Märkte dort nicht mehr ganz so einfach bearbeiten lassen wie bisher. Die Konkurrenz ist dichter geworden, denn erstens sind alle westlichen Wettbewerber inzwischen in China und Indien präsent. Zweitens zeigt die asiatische Industrie den Herstellern ihre Zähne. Und drittens rechnen Experten in China nach explosiven Wachstumsraten von fast 50 Prozent nun mit nur noch fünf Prozent Wachstum.

Julia Leendertse 

Auszug aus Jobguide  Automotive