Die deutsche Angst vor der Bewerberauswahl per Big Data

Immer mehr US-Arbeitgeber setzen bei der Personalauswahl auf Big Data und People Analytics. Um das Verhalten und die Kompetenzen von Bewerbern besser einschätzen zu können, analysieren sie deren digitale Spuren im Internet. Auch deutsche Personalmanager sollten sich für diesen Trend im Personalwesen endlich öffnen, fordert Ex-Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger im Handelsblatt-Interview.

Thomas Sattelberger warnte deutsche Personalmanager im Handelsblatt-Interview davor, aus der typisch deutschen Angst vor dem gläsernen Menschen heraus, international den Anschluss zu verlieren. Die Digitalisierung durchdringe alle Lebenssphären, sei fast schon eine Kulturtechnik wie Lesen, Schreiben und Rechnen. „Wer sich verweigert, dem muss bewusst sein, dass er sich abkoppelt.“

In Deutschland wird das Erstellen von Verhaltens- und Kompetenzprofilen mithilfe von Bewerberdaten aus dem Internet im Vergleich zu Amerika durch den Datenschutz stark eingeschränkt, erklärte der langjährige Personalvorstand von DAX-Konzernen wie Lufthansa, Continental und Deutsche Telekom. Und die Menschen hätten auch ein Recht darauf, nicht lückenlos überwacht zu werden. Trotzdem könnten deutsche Unternehmen auf Dauer die Vorteile von People Analytics nicht ignorieren. Sie mache die Bewerberauswahl gerechter und fairer, weil durch das Mehr an Transparenz nicht mehr Schmidt Schmidtchen hole und Migranten, Frauen oder Farbige aussortiert würden, sondern vielmehr deren Qualitäten stärker wahrgenommen würden. Totale Transparenz sei zwar keine Lösung, aber – so meint Sattelberger: „Wir brauchen Checks und Balances, entscheidend ist, dass in Unternehmen darauf geschaut wird.“ Die Aussage von Personalern „Wir suchen Persönlichkeiten“, verurteilte Sattelberger als Schwindel. „In einem zweistündigen Gespräch kann man nicht Persönlichkeit identifizieren. Auch im Assessment Center wird überwiegend an der Oberfläche gekratzt“.

Mit Blick auf die Analyse und Nutzung von Daten sei Deutschland eine Insel, schon im angrenzenden Dänemark sei das anders. In Deutschland ergebe sich zudem das Problem, dass die Personaler „so gut wie keine Qualifikation im Digitalen“ hätten.

Quelle:Handelsblatt, 24. April 2015