"Die Big Four rekrutieren schon auf Vorrat"

Hellmuth Wolf, Partner der Personalberatung Signium International in Düsseldorf, über die Jobchancen von Hochschulabsolventen und Young Professionals in der Wirtschaftsprüferbranche.

JobguideXpress: Herr Wolf, wie schätzen Sie die Jobchancen für Hochschulabsolventen und Young Professionals in der Wirtschaftsprüferbranche im Jahr 2012 ein?

Wolf: Für Kandidaten mit guten Noten sind die Jobchancen außerordentlich gut. Allein die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben angekündigt, jede im Schnitt 2012 rund 1.500 Hochschulabsolventen einzustellen. Es heißt sogar, dass sich die Big Four in diesem Jahr beim Recruiting besonders ins Zeug legen. Wegen der demographischen Entwicklung sollen sich die finanzkräftigeren Häuser der WP-Szene zurzeit bereits auf Vorrat mit guten Leuten eindecken. Ob nämlich in Zukunft noch genügend Nachwuchskräfte im Markt verfügbar sein werden, gilt als unsicher. Mittelständische Wirtschaftsprüfungsgesellschaften klagen schon jetzt darüber, dass die Big Four die besten Talente bereits an den Unis abfischen.

JobguideXpress: Den Mittelständlern ist es doch nicht verboten, ebenfalls an den Hochschulen und auf den Recruitingmessen für sich zu werben?

Wolf: Das tun einige der mittelgroßen WP-Häuser ja auch bereits. Aber die Big Four haben den Ruf, die Kandidaten mit einer hervorragenden Ausbildung und der Chance auf ein internationales Umfeld als Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder auch Unternehmensberater locken zu können.

JobguideXpress: Aber die mittelständischen WP-Gesellschaften haben doch auch so ihre Vorteile für Berufseinsteiger...?

Wolf: Die Ausbildung der Nachwuchskräfte kostet viel Geld. Die Big Four haben da einen eindeutigen Budgetvorteil und bereiten ihre jungen Mitarbeiter erstklassig auf das Steuerberater- und Wirtschaftsprüferexamen vor. Mittelständische WP-Gesellschaften sind dagegen natürlich weniger anonym, bieten die größere Nähe zum Mandanten und ermöglichen es zudem jungen Leuten, das WP- und Steuerberatungs-Geschäft breiter kennenzulernen. In den großen Häusern arbeitet man heute von Anfang an sehr spezialisiert. Jede Branche - von der Automobil- bis zur Finanzdienstleistungsindustrie - benötigt ihre eigenen WP-Spezialisten.

JobguideXpress: Welche Studiengänge sind bei den WP-Gesellschaften besonders gefragt?

Wolf: BWLer und VWLer, die schon während ihres Studiums Wirtschaftsprüfung, Treuhandwesen oder Steuerberatung als Schwerpunkt hatten.

JobguideXpress: Die Big Four stellen jedes Jahr Hunderte von Berufsanfängern ein. Wie hoch ist eigentlich deren Verweildauer bei ihrem ersten Arbeitgeber?

Wolf: Die jährliche Fluktuationsrate liegt bei 15 bis 20 Prozent. In der Wirtschaftsprüfung ist die Fluktuation etwas höher als in der Steuerberatung. In jedem Fall ist sie gewollt, weil nur die wenigsten am Ende auch wirklich Partner werden können. Bleibe ich in der WP-Gesellschaft oder wechsle ich lieber in die Industrie? Diese Frage stellt sich bereits nach den ersten zwei bis vier Jahren. Dann nämlich, wenn die Entscheidung ansteht, ob man nun tatsächlich bereit ist, Kraft, Zeit und Geld in das Steuerberaterexamen und anschließend in das Wirtschaftsprüferexamen zu investieren. Viele entscheiden sich aus guten Gründen dagegen oder fallen eben einfach durchs Examen durch. Ohne Examen im Prüfungsbereich kann man aber in einer WP-Gesellschaft nichts werden. Weil sie aber bei ihrem ersten Arbeitgeber meist eine hervorragende Ausbildung genossen haben, kommen viele nach ihrer Zeit in der WP-Branche sehr gut in der Industrie unter - im Controlling, Finanz- oder Rechnungswesen von Unternehmen.

JobguideXpress: Und welche Karrierepfade bieten sich denjenigen an, die das Steuerberater- und das Wirtschaftsprüferexamen ablegen?

Wolf: Sie steigen zum Manager oder Senior Manager auf und haben die Chance, Partner zu werden. Ob sie den Sprung zum Partner schaffen, entscheidet sich im Schnitt nach etwa sieben oder acht Jahren Betriebszugehörigkeit. Da steht dann für die meisten die nächste Zäsur auf dem Karrierepfad an. Viele haben nach ein paar Jahren keine Lust mehr auf das Beraterleben, wollen lieber nur noch für ein Unternehmen tätig sein und wechseln in eine kaufmännische Position in der Industrie. Manche entscheiden sich auch für eine Geschäftsführerposition im Mittelstand. Wer in der WP-Branche bleiben will, kann auch innerhalb der Organisation zum Partner aufsteigen oder in eine mittelständische Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wechseln.

JobguideXpress: Die Zeiten, in denen sich WPs mit einer eigenen WP-Gesellschaft um die Ecke selbstständig machen konnten, sind vorbei?

Wolf: Ja, das sind sie. Als Steuerberater sind solche Kleinstpraxen noch denkbar, aber um als Wirtschaftsprüfer größere Unternehmen prüfen zu können, benötigt man einfach ein Team.

JobguideXpress: Wie viel verdienen Berufseinsteiger in der Wirtschaftsprüfungsbranche? Und wie sehen die Verdienstmöglichkeiten auf dem weiteren Karriereweg aus?

Wolf: Das ist unterschiedlich und reicht bei Hochschulabsolventen von 45.000 bis 60.000 Euro. Senior Manager kommen in der Regel auf ein Entgelt von 120.000 Euro oder mehr.

Das Gespräch führte Julia Leendertse.

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