Der schönste Apfel

Der Erfolg von Marketing ist längst messbar geworden. Das bedeutet das Ende von Bauchentscheidungen zu Gunsten intensiver Kennzahlen-Analysen. Der wachsende Einfluss von Controllern gefällt nicht jedem.

Bildnachweis: pixabay

Volkswirtschaftlich betrachtet ist Marketing nicht einfach bloß das Synonym für Werbung, sondern zuständig für Produkt- und Preisgestaltung, Vertriebsorganisation und Marktkommunikation. Nach Angaben des Zentralverbands der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW) arbeiten rund 914.000 Menschen in diesem Bereich. Darin enthalten sind etwa 364.000 Beschäftigte in der Digitalwirtschaft. „Hier sind auch viele technische Berufe erfasst, die eigentlich nicht zum Kernbereich der Werbewirtschaft gehören“, erläutert ZAW-Sprecher Volker Nickel. Und er schiebt noch eine Zahl nach: Knapp 30 Milliarden Euro wurden im Jahr 2011 allein in Deutschland in Werbemittel investiert.

Riesige Gehaltsspannen

Am Investitionsvolumen hängt naturgemäß auch die Vergütung der Fach- und Führungskräfte im Marketing: Die Grundgehälter sind in den vergangenen beiden Jahren nach Zahlen der Managementberatung Kienbaum jeweils um zwei Prozent gestiegen. Allerdings nahm bei steigender Gesamtvergütung auch die Bedeutung variabler Gehaltsbestandteile zu: 90 Prozent der Führungs- und 85 Prozent der Fachkräfte haben inzwischen erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile. 

Leiter des Gesamtbereichs Marketing und Vertrieb sind mit durchschnittlichen Jahresgesamtbezügen von 147.000 Euro die Spitzenverdiener, gefolgt von Vertriebsleitern mit 139.000 Euro. Am wenigsten verdienen Junior-Produktmanager mit 49.000 Euro. Die Spanne der Gesamtbezüge in Marketing und Vertrieb ist insgesamt sehr groß: Bei Führungskräften reicht sie von weniger als 50.000 Euro bis weit mehr als 300.000 Euro, bei Fachkräften von weniger als 30.000 bis mehr als 200.000 Euro. Je größer das Unternehmen ist und je besser die Abschlüsse des Einzelnen sind, desto mehr lässt sich im Marketing verdienen.

Der Blick in die aktuellen Geschäftszahlen stimmt Marketing-Manager zufrieden. Die Stimmung sei hoffnungsvoll, sagt Karl Georg Musiol, Präsident des Deutschen Marketing-Verbands e. V. (DMV). „Gerade jetzt ist es wichtig, die Marketingaktivitäten kontinuierlich auszubauen und so die Unternehmensziele mitzutragen und Chancen zu erkennen. Es muss ein starkes, positives Signal von Auftragnehmern und Auftraggebern gesetzt werden.“

Wie kaum eine andere Disziplin ist Marketing geeignet, unterschiedliche Unternehmensabteilungen zusammenzuführen. Marketing-Manager müssen ihre Produkte, ihre Märkte, ihre Zielgruppen genau kennen – die heutige und die künftige.

Dominique Turpin, Präsident des International Institute for Management Development, IMD, schreibt dem Marketing neben einem Verständnis für digitale Trends und Social Media folgende Erfolgsfaktoren ins Stammbuch: echte Kundenorientierung, den adäquaten Umgang mit der Polarisierung der Märkte, bei der mittlere Preisbereiche zu Lasten von Discount-Lagen und absolutem Luxus verlieren. Eine zielgerichtete Markenentwicklung mit starken eigenen Innovationen, die eine Unique Selling Proposition, also ein markantes Unterscheidungsmerkmal bilden zum Wettbewerb. Und ein Verständnis für die neuen Global Player aus Asien und Südamerika.

Marketeer beanspruchen „Licence to lead“

In der internen Werteskala der Unternehmen machen unverändert Marketingexperten für sich die Lizenz zum Führen geltend: Sie verknüpfen also ihren Führungsanspruch mit der Forderung, modernes Marketing sei längst zu einem eigenen Wert für die Unternehmen geworden. Denn: Man habe sich aus den Niederungen der Verantwortung für Umsätze, Erlöse und Profite erhoben zu Hütern des Wertemanagements. Nur Unternehmen, die glaubwürdig für echte Werte einstehen, hätten eine Zukunft.

Mit neuen Kennzahlenkarten und Methoden versuchen Controller zugleich, die Nebel über dem Marketing zu lichten und für mehr Erfolgskontrolle und Transparenz zu sorgen. Hohe Werbeausgaben schulterzuckend zu rechtfertigen, man wisse ja nicht welche Hälfte davon verschwendet sei, gehört eindeutig der Vergangenheit an. Marketing ist messbar geworden. Und das tut manchmal weh.

Allein mit einer halb-kreativen Idee und einem üppigen Budget kommen moderne Marketing-Manager nicht mehr weit. In Krisenzeiten werden alle Budgets kritisch hinterfragt. Und – shocking – mittlerweile muss sich der Erfolg des Marketings an Kennzahlen messen lassen. Kollegen, die lange in der Wahrnehmung der Marketingleute „ordinäre Einkäufer“ waren, verhandeln und ordern nun Marketingdienstleistungen.

Für Akademiker, die im Marketing erfolgreich sein wollen, heißt das: ohne kompromisslose Zahlenorientierung und die Bereitschaft, alle ergriffenen Maßnahmen vorbehaltlos zu controllen, geht es nicht. Kreativität und gute Ideen sind eine gute Voraussetzung, aber bei weitem nicht mehr hinreichend. Der alte Dauerkonflikt zwischen Marketing und Controlling ist längst von der Zeit überholt und durchbrochen. Zusammenarbeit ist hier mehr angesagt denn je.

Autor: Dirk Neubauer

Quelle: Auszug aus Jobguide eMagazine Marketing & Vertrieb