Berater unter Digitalisierungsdruck

Komplexere Anforderungen, neue Strukturen, schärfere Konkurrenz und fehlender Nachwuchs – die Wirtschaftswoche analysiert die Folgen der Digitalisierung auf die Beraterbranche.

Bildnachweis: Vladimir Melnikov / fotolia

Das Beratungsgeschäft boomt, die Konjunktur hat den Turbo für die Consultants schon länger eingeschaltet, was die Branche nicht zuletzt der Digitalisierung verdankt. Dabei, schreibt die Wirtschaftswoche, leiden auch die Berater unter den Folgen der Digitalisierung. Sie müssen mit den gleichen Herausforderungen wie ihre Kunden fertig werden: Komplexer und vielschichtiger werdende Anforderungen an die Mitarbeiter, eine Veränderung der Struktur innerhalb der Beratungen, eine schärfere Konkurrenz durch Startups und ein Mangel an qualifizierten Bewerbern.

So verändert die Digitalisierung allmählich das Berufsbild des Beraters. „Der Berater ist heute nicht mehr der klassische Besserwisser, sondern hat eine Vielzahl von Rollen: Er schreibt natürlich noch klassische Konzepte, ist aber auch Advocatus Diaboli, übernimmt Coachings, ist zusätzlich Projektleiter, Interim Manager, Katalysator oder Brückenbauer zwischen Eigentümer und Management oder zwischen dem Ist-Zustand und der Zukunftsvision“, zitiert die Wirtschaftswoche BDU-Chef Ralph Strehlau.

Das führt zu noch mehr Stress und Überstunden. Parallel dazu verändern sich die Strukturen: Statt Junior-Consultant-, Senior- und Partner-Ebene verschwindet eine Hierarchie-Stufe. Der Partner, der einst vornehmlich in der Akquise aktiv war, muss künftig mehr operativ arbeiten. Statt 20 Prozent Beratungsarbeit ist der Anteil heute auf 60 Prozent gestiegen.

Viele Jungberater wollen aber auch nicht mehr den Überstunden- und Reisestress mitmachen: Sie steigen aus und gründen vielversprechende Startups, darunter Plattformen wie Comatch oder Klaiton. Das sind Vermittlungsbörsen, über die Unternehmen Freelancer oder Beraterteams finden können. Einzige Gefahr dieser Plattformen ist, dass sich die freischaffenden Berater unter Wert verkaufen. Die Unternehmen, also die Kunden, profitieren von solchen Börsen durch eine klare Struktur und Transparenz.

Vierte und letzte große Herausforderung ist der Mangel an qualifizierten Nachwuchskräften. Durch die starke Konjunktur haben die Berater bereits 2016 6.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, drei von vier der großen Beratungen wollen auch 2017 neue, zusätzliche Kräfte einstellen. Doch der Markt an qualifizierten Beratern ist leergefegt – und das einst funkelnde Image hat Kratzer bekommen. Hier versucht die Branche, durch flexible Arbeitszeitmodelle Nachwuchskräfte zu locken und investiert kräftig in ihren Recruiting-Aufwand. Sicherste Anlaufstelle ist hier die Kooperation mit Hochschulen – Kontakt zu den Bewerbern kommt über Werkstudenten-Jobs, Diplom- und Bachelorarbeiten.

Gebraucht werden die Nachwuchskräfte vor allem in der Organisations- und Prozessberatung, wie eine Analyse der Geschäftsfelder, in denen Beratungsbedarf herrscht, zeigt. 43,5 Prozent Marktanteil hat dieses Feld am gesamten Branchenumsatz, gefolgt von der Strategieberatung mit 24,8 Prozent (bei Mehrfachnennung). 21,6 Prozent hat dann die IT-Beratung, zu der sich allerdings auch noch der Bereich IT-Anwendung und Infrastruktur mit 10,7 Prozent dazu rechnen lässt.

Quelle:Wirtschaftswoche, 28. Juli 2017