Jeder zweite Anwalt fürchtet die Digitalisierung

Legal Tech ist die Unterstützung der Anwälte durch Software. Jeder zweite Anwalt glaubt, die Digitalisierung dränge ihn aus dem Geschäft. Doch sie bietet auch Chancen, schreibt die FAZ.

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Keine Branche kommt an der Digitalisierung vorbei, auch nicht die Rechtsanwälte. Legal Tech ist die Unterstützung der Rechtsberatung durch Software. Dabei geht es vornehmlich um die Übernahme von Arbeitsprozessen, die die IT automatisiert durchführen und damit dem Anwalt abnehmen kann. Start-ups mit cleveren Ideen drängen in den Markt.

Bekanntestes Beispiel ist Flight Right, das sich auf das Geschäft mit Entschädigungszahlungen bei Fluggästen konzentriert. Der Algorithmus der Potsdamer verspricht, in nur acht Minuten eine erfolgreiche Anspruchsprüfung durchzuführen – was kein Reisevertragsrechtler so schnell schaffen könnte.

Daher haben Anwälte Angst vor der Digitalisierung, wie eine Umfrage des privaten Soldan-Forschungsinstituts belegt: Jeder zweite Anwalt befürchtet, dass er durch die Digitalisierung und branchenfremde Anbieter aus dem typischen Anwaltsgeschäft gedrängt wird.

Doch in sogenannten Legal Tech Meetups, initiiert von Anwälten und Gründern junger Internetunternehmen, erhalten Juristen eine neue Sichtweise. Laut FAZ schießen Legal tech Meetups derzeit in Frankfurt, Berlin und Hamburg wie Pilze aus dem Boden. Der Grund: Dies sind Städte mit einer hohen Kanzleidichte und nicht nur junge Anwälte haben erkannt, dass sie sich mit den Konsequenzen der Digitalisierung auseinandersetzen müssen. Nicht zuletzt, weil immer mehr Unternehmensmandanten eine Strategie für ihre digitale Transformation entwickelt haben, erwarten sie nun dasselbe von ihren Rechtsberatern.

Großkanzleien gehören beim Thema Legal Tech zu der Gruppe der Fast Follower. Die Vorteile der Maschinen haben sie zum Beispiel beim Thema Unternehmenstransaktionen erkannt und setzen bei der Due Diligence verstärkt auf den Kollegen Computer, um große Datenmengen zu bearbeiten. Legal Tech-Dienstleister wie der Anbieter Leverton unterstützen sie durch sogenannte „Informationsextraktion“. Mussten vor wenigen Jahren noch Scharen von Anwälten in geschützten Datenräumen Aktenberge wälzen, werden die Daten nun elektronisch sondiert. Doch die Ergebnisse müssen nach wie vor, von Anwälten juristisch geprüft werden.

Der Fortschritt von Legal Tech, die Tatsache, dass Start-ups sich derzeit leichter finanzieren können und der zunehmende Einsatz von Künstlicher Intelligenz könnten tatsächlich dazu führen, dass Kanzleien von der Digitalisierung überrollt werden. Trotzdem kommt die FAZ zum dem Schluss: Die Rechtsberatung ist bis heute im Kern ein analoges Produkt. Im Zentrum steht das Gespräch zwischen Mandant und Anwalt. Worin die Reise geht, formuliert René Büst, Director Market Research & Technology Evangelism des Frankfurter IT-Dienstleisters Arago. Wer lernfähige Maschinen einsetzt, etwa in der Distribution und im Austausch mit Endkunden, kann mehr über seinen Kunden erfahren. Diese Informationen könnten die Basis für neue Geschäftsmodelle sein, die bestimmten Vorlieben der Verbraucher oder auch Wartungszyklen Rechnung tragen könnten. Was Plattformunternehmen wie Amazon oder Netflix heute schon nutzten, könnte auch in der Kanzleiwelt zu erstaunlichen Innovationen führen.

Quelle: FAZ, 19. Juni 2017, Printausgabe, Seite 26