A.T. Kearney – der letzte Purist unter den Strategieberatern?

Die Strategieberatung A.T. Kearney hat zu sehr auf die globale Karte gesetzt und regionale Märkte vernachlässigt. Jetzt steuert sie zurück, erklärt der Chef Martin Eisenhut im Interview mit dem Wiwo-Blog Die Consultanten.

Bildnachweis: A.T. Kearney

Die Wettbewerber sind A.T. Kearney zuletzt davongelaufen: Statt zweistelliger Umsatzzuwächse gab es für die Strategieberatung nur ein einstelliges Wachstum, beim Image verloren viele Klienten das Haus immer mehr aus den Augen. Ein Grund für diese Entwicklung: A.T.Kearney hatte nach der Philosophie „Think Global, Act Local“ auf eine einheitliche globale Strategie gesetzt, dabei aber Besonderheiten der regionalen Heimatmärkte Deutschland, Österreich und der Schweiz zu wenig Beachtung geschenkt. In den letzten Monaten zog Deutschlandchef Martin Eisenhut die Notbremse und restrukturierte wieder zurück. A.T. Kearney hat sich im deutschsprachigen Raum mittlerweile wieder nach der bewährten Struktur mit elf klassischen Industriebranchen organisiert. Damit will Eisenhut jetzt dafür sorgen, dass die Themen, die den Klienten in den lokalen Märkten unter den Nägeln brennen, „ausreichend adressiert“ werden.

Darüber hinaus gibt es weiterhin übergeordnete Ressorts, darunter das Kerngeschäft Operations, also die Verbesserung von Unternehmensabläufen sowie die Geschäftsfelder Digitales und Einkauf. Dass Wettbewerber wie BCG und McKinsey längst über eigene IT-Abteilungen verfügen, in digitale Laboratorien investiert haben, in denen Kunden mit neuen Technologien experimentieren können und immer tiefer in das Geschäft der Digital- und Designagenturen einsteigen, ja sogar mit  Klienten digitale Produkte und Plattformen entwickeln und vermarkten, ficht Eisenhut zumindest offiziell nicht an.

A.T. Kearney wolle kein Fullservice-Anbieter sein, betont er im Interview. „Wir sind die Managementberater in digitalen Transformationsprojekten. Wir sehen unsere Aufgabe darin, mit Klienten zusammen neue digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln oder bestehende Geschäftsmodelle durch den Einsatz  digitaler Technik vom Einkauf über die Produktion bis zur Auslieferung abzusichern.“ 

Statt von Projektbeginn an über Folgeaufträge nachdenken  oder selbst entwickelte Software beim Kunden an den Mann zu bringen zu müssen, könnten sich A.T. Kearney-Berater wegen ihrer Unabhängigkeit voll und ganz darauf konzentrieren, dem Benefit des Klienten zu dienen. Branchenkenner witzeln jedoch, die Partnerschaft von A.T. Kearney hätte zurzeit nur kein Geld, um sich eigene Innolabs oder die Übernahme von Digital- und Designagenturen leisten zu können.

Mit der Gründung der neuen Tochter A.T. KearneyRecovery GmbH greift das Beratungshaus einer Entwicklung voraus, mit der die deutsche Wirtschaft sich in den nächsten Jahren verstärkt auseinandersetzten müsse. Weil bei Weitem nicht alle Unternehmen als Sieger aus der Digitalisierung hervorgehen werden, geht A.T. Kearney davon aus, dass in Zukunft verstärkt Berater gefragt sein werden, die für längere Perioden in kränkelnde Unternehmen entsandt werden, um diese  wieder neu aufzustellen.

Quelle: Consuktantenen/Wiirtschaftswoche, 10. Mai 2017