Ich? Oder Du? Oder wir beide?

Familie und Karriere zu vereinbaren – wenn das gelingt, haben Paare Großes geleistet und die Aussicht auf ein sehr erfülltes Leben. Doch vielfach scheitert dieser Traum an tradierten Rollenmustern, an Streitereien um Macht und Zeit und die Balance in Beziehung und Familie. Und bei aller Organisation des gemeinsamen Lebens bleibt auch die Liebe bisweilen auf der Strecke. Astrid Schreyögg, promovierte Psychologin und Beraterin von „Dual Career Couples“, trägt die Forschungsergebnisse zum Thema und die wichtigsten Befunde aus der Coaching-Praxis zusammen.  

Kaum eine junge Frau strebt heute noch die Rolle einer Nur-Hausfrau an, eigentlich wollen alle einen „doppelten Lebensentwurf“ realisieren, nämlich ein Leben mit Beruf und mit Familie. Daher erscheint es geradezu absurd, dass die Mehrzahl von ihnen später dann doch im Hausfrauenmodell landet. Wir lesen allenthalben, dass junge Frauen das bessere Abitur und den besseren Studienabschluss machen als Männer, um nach der Geburt von Kindern doch in eine berufliche Sackgasse zu geraten. 

Dieses Schicksal ereilt auch Heerscharen von Akademikerinnen. Man fragt sich zunehmend: Was ist denn das für ein volkswirtschaftlicher Irrsinn, wenn eine Gesellschaft manchen Frauen millionenschwere Ausbildungen als Augenärztin oder Biochemikerin „spendiert“, um sie nach der Geburt ihrer Kinder – häufig dauerhaft – zwischen Spielplatz und Küche zu parken?

Die Alternative zu solchem Missstand ist das Leben von Doppelkarriere-Paaren. Diese „Lebensstilpioniere“ machen zwar in Deutschland erst einen kleinen Teil der Bevölkerung aus, in den kommenden Jahren wird aber genau diese Lebensform, die in Frankreich oder in skandinavischen Ländern schon eine Selbstverständlichkeit darstellt, auch hierzulande immer häufiger realisiert werden. Paare, denen es gelingt, zwei anspruchsvolle Karrieren zu einem Leben mit Kindern zu kombinieren, berichten immer wieder, wie glücklich sie diese Lebensform macht. Sie berichten aber auch, dass sie eine Fülle von Komplikationen zu meistern haben.

Im Gegensatz zu „Dual Earner Couples“ (DCC), in denen beide Partner einem Broterwerb nachgehen, handelt es sich bei „Dual Career Couples“ um einen kleinen Teil davon, nämlich um Paare, die beide eine anspruchsvolle Karriere verfolgen. Solche berufstätigen Akademikerpaare mit einem oder mehreren Kindern oder ohne Kind machten 2005 in Deutschland erst zwischen acht und 15 Prozent aus. Mit ihrer Berufstätigkeit streben sie nicht nur einen materiellen Gewinn an, sondern auch mehr Selbstverwirklichung – und natürlich einen höheren sozialen Status.

Doppelkarrieren mit vielen Vorzügen

Die deutschen Forscher Ariane Ostermann und Michel Domsch breiten einen umfassenden Katalog an Vorteilen aus, die das Leben als DCC hat: In ihren Untersuchungen betonten Doppelkarriere-Paare ihre persönliche Autonomie im Vergleich zu traditionellen Konstellationen, obwohl sie gleichzeitig mehr Gemeinsamkeit in der Partnerschaft erleben und insgesamt mehr gemeinsame Ziele entwickeln. Von den Befragten wurde auch als Vorteil betrachtet, dass beide beruflich gefordert sind und dadurch eine erhöhte Solidarität zueinander haben. Zudem vermerkten die Paare, dass ihre Kinder selbständiger sind, als die Kinder traditioneller Paare.

Im Übrigen ergeben sich in solchen Partnerschaften natürlich auch einige faktische Vorteile: Sie haben mehr Geld zur Verfügung, wodurch sich auch mehr finanzielle Möglichkeiten für sie selbst und für die Kinder ergeben. Sie haben dadurch generell mehr Optionen für einen gehobenen Lebensstil. Aufgrund der Einkommenssituation besteht außerdem ein gutes finanzielles Polster für die Altersvorsorge und für die Ausbildung der Kinder und deren Auslandsaufenthalte. Im Übrigen ergibt sich aufgrund der Einkommensverhältnisse auch die Möglichkeit vielfältiger kultureller Bereicherung durch Reisen und andere Aktivitäten. So berichteten die Befragten, dass das gesamte Familienleben potenziell mehr Tiefe und mehr Breite der Lebenserfahrungen bereithalte.
Insgesamt zeigt sich, dass Doppelkarriere-Beziehungen nicht nur Lebensformen zur Optimierung von Erfolg sind, sondern Beziehungen, die eine besondere Lebensqualität hervorbringen.

Trotzdem steht aber auch unzweifelhaft fest, dass solche Paare im Gegensatz zu komplementär organisierten, traditionellen Beziehungen besondere Hausforderungen zu bewältigen haben. Das heißt: Hier spielt regelmäßig eine Reihe von Konflikten eine Rolle, zu deren Bewältigung vor allem der Umgang mit der kritischen Ressource Zeit eine Rolle spielt. Nach Meinung von Therapeuten ist hier die Bewertung von Familien-Zeit als existenzielle, sinnstiftende Zeit eine ganz grundlegende Voraussetzung für das Gelingen dieser Lebensform. Und tatsächlich spielt die Zeit und deren Strukturierung für Doppelkarriere-Familien eine ganz besondere Rolle.  

Dem egalitären folgt das alte Rollenmuster

In der Tat zeigt eine Vielzahl von Untersuchungen, dass sich das klassische „Hausfrauenmodell“ trotz aller Bemühungen um Frauenemanzipation als überaus robust erweist. Viele Doppelkarriere-Paare starten ihre Partnerschaft zwar egalitär, doch mit der Geburt von Kindern rasten wieder traditionelle Rollenmuster ein. Aus Partnerinnen werden dann Mütter, konfrontiert mit hoher Erwartung an familiale Verfügbarkeit und aus Partnern werden Väter, konfrontiert mit hoher Erwartung an monetäre familiale Versorgungsleistungen. Die Untersuchungen zeigen außerdem, dass sich solche traditionellen Rollenmuster bei Mobilitätsentscheidungen beziehungsweise berufsbedingtem Umzug in der Regel zugunsten des Mannes noch vertiefen.

Das liegt an der hohen Komplementarität traditioneller Paare. Hier sind die Rollen eindeutig verteilt: Die Frau regelt alle häuslichen Fragen und alle Dinge, die mit den Kindern in Zusammenhang stehen. Daraus bezieht sie auch ihre Identitätssicherung. Der Mann dagegen verdient den Lebensunterhalt und ist auch stolz darauf, dies für seine Familie zu tun. Die Frau kann ihre weibliche Rolle ganz deutlich akzentuieren und er seine als Mann.

Solche Paare „plumpsen“ gewissermaßen in gesellschaftlich vordefinierte Schablonen hinein. Auf diese Weise ecken sie seltener an in ihrem sozialen Umfeld, und auf diese Weise sparen sie vor allem „Abstimmungsarbeit“ und damit eine Vielzahl von Konflikten, die sich aus der Gleichheit bei Doppelkarrierepaaren ergibt. Wie allerdings die hohe Anzahl depressiver Frauen um die 50 zeigt, erweist sich dieses Modell nach dem Auszug der Kinder als äußerst prekär. Die Frauen haben dann nämlich oft den Eindruck, dass sie ihren Lebenssinn verloren haben.

Doppelkarriere-Paare, vor allem solche mit Kindern, befinden sich in einer anspruchsvollen Kooperationsgemeinschaft, weil sie sich laufend über eine Vielzahl von Themen abstimmen müssen. Im Prinzip unterliegen sie wie viele formale Doppelspitzen in Unternehmen dem Zwang zur Konsensfindung. Im Falle laufend divergierender Positionen könnte nämlich die Partnerschaft ebenso wenig überleben wie eine Firma, in der zwei gleichberechtigte Chefs ständig unterschiedlicher Meinung sind. 

Der Zwang zum Konsens

Im Übrigen würden die Kinder ebenso konfus reagieren wie unterstellte Mitarbeiter, die einer ständig streitenden Doppelspitze in Gestalt ihrer Vorgesetzten ausgesetzt sind. Während allerdings Mitarbeiter die Situation mit einem laufend konfligierenden Duo verlassen können, ist das für Kinder kaum möglich. Aus diesem Grund unterliegt die Doppelspitze „Elternpaar“ einem verschärften Druck zum Konsens. Die Partner müssen ja alle Karriereentscheidungen mit dem Familienleben in Übereinstimmung bringen und umgekehrt das Familienleben mit den Karrieren. Aus diesem Grund ergibt sich im Vergleich zu traditionellen Paaren eine enorme Breite an Themen, die gemeinsam verhandelt werden müssen.

Sandra Morgan hat berufstätige Paare nach den Themen gefragt, über die sie kommunizieren und möglichst Konsens herstellen müssen. Diese hat sie in fünf Kategorien unterteilt:

> Erstens: Karrierefragen. Zu diskutieren ist vielfach, ob die eine oder die andere Karriere unterbrochen werden soll oder ob es irgendwelche Einschränkungen für die Kinder mit sich brächte, wenn beide Karrieren fortgeführt würden. Als wichtiger Diskussionspunkt wurde auch die generelle Einstellung bezüglich einer Balance zwischen Karriere und Familie genannt. Und natürlich wurde auch die Priorität der beiden Karrieren als Diskussionspunkt beschrieben. Wenn dann ein Teil des Paares seine Karriere unterbrochen hatte, wurde auch das Timing des Wiedereinstiegs zum Thema.

> Zweitens: Kinderbetreuung. Da geht es zum einen um die Suche und die Auswahl von Betreuern, ihr Alter, ihre Persönlichkeit, das Ausmaß ihres Engagements und natürlich die Finanzierbarkeit.
Ein anderes Thema, das besonders oft kontrovers diskutiert wird, ist die mit den Kindern gemeinsam zu verbringende Zeit. Und es wird diskutiert, wer welche Aufgaben an den Kindern zu erledigen hat, wer also das Kind zum Kindergarten, zur Klavierstunde bringt.

> Drittens: Hausarbeit. Wie sollen die Aufgaben verteilt werden? Ist eine Haushaltshilfe, ein Fensterputzer, ein Gärtner zu engagieren, in welchem Umfang und zu welchem Preis? Wer ist für das allgemeine Hausmanagement zuständig, es zu erledigen oder seine Erledigung zu organisieren, zu überwachen? Wie werden die Mahlzeiten, die Reinigung, die Wäsche und der Einkauf organisiert? Außerdem ist zu klären, wer für den Garten, für Reparaturen, für Arztbesuche der Kinder und ähnliches zuständig ist.

> Viertens: Beziehung. Das heißt zunächst, das Paar muss meta-kommunizieren, sich also auch mit seiner eigenen Kommunikation auseinander setzen. Und natürlich muss es sich in irgendeiner Weise mit der Konkurrenz zueinander befassen. Das wird zwar selten sehr offen geschehen, wenn das Konkurrenzthema aber dauerhaft verleugnet wird, trägt das zur Entstehung von untergründigem Konfliktpotential bei, das sich in anderen Bereichen, etwa als Problem in der Sexualität, äußern kann. Wie andere Forschungen zeigen, haben es Freiberuflerpaare, insbesondere, wenn sie unterschiedlichen Professionen angehören, leichter mit Konkurrenzthemen. Sie können jeder für sich ihren Geschäften nachgehen. Besonders viel wird natürlich über gemeinsam zu verbringende Zeit diskutiert, wie viel oder wie wenig Zeit sich die Partner für einander nehmen. Und schließlich steht in Frage, wie viel Zeit sich jeder für sich selbst genehmigen kann.

> Fünftens: Geld, Zeit, Stress. Häufige Diskussionen werden auch darüber geführt, wie das verdiente Geld verwendet werden soll, wer wann für was zuständig ist, wie sich der Stress minimieren lässt und wie sich Aufgaben „gerechter“ verteilen lassen. Hier lässt sich zeigen, dass sich berufliche Sinnsysteme auch im familiären Bereich niederschlagen.
So ist das Verhältnis zum Kind stärker rational bestimmt als bei traditionellen Paaren, es gibt eine „Logistik der Kinderbetreuung“ und die gut funktionierende DCC-Familie wird zum Organisationsprojekt.

Die deutschen Wissenschaftler Ute und Ulrich Clement unterscheiden bei Doppelkarriere-Paaren zwei Konflikt-Achsen: Konflikte des Beruf-Familie-Übergangs (Außen/Innen-Schnittstelle) und Konflikte des partnerschaftsinternen Ausgleichs (Innen/Innen-Schnittstelle).

Die Außen/Innen-Konflikte ergeben sich vor allem durch die Zeitkonkurrenz zwischen Beruf und Familie. Denn bei anspruchsvollen Tätigkeiten, die nur begrenzt zu routinisieren sind, ist die Arbeitszeit oft nicht genau zu kalkulieren. Verantwortliche Tätigkeiten, die man zumeist mit persönlichem Ehrgeiz ausfüllt, werden selten als „fertig“ definiert. So ist etwa die Forschungsarbeit in einem biochemischen Labor nie wirklich beendet. Man hat immer ein Argument länger und noch länger in dem Labor zu bleiben. 

Manager-Stress ist erotisch

Im Übrigen enthalten viele anspruchsvolle Tätigkeiten ein erotisierendes Element. So sprechen Wissenschaftler auch von der „Erotisierung des Managements“ oder dem „euphorisierenden High-Gefühl“, in Zentren ökonomischer oder politischer Macht halbe Nächte durchzuarbeiten, hochverantwortliche chirurgische Notoperationen nach Nachtdiensten mit Schlafdefizit durchzuführen, wissenschaftliche Versuchsreihen am Wochenende durchlaufen zu lassen, mit Jetlag aus einer transatlantischen Konferenz in eine entscheidende Sitzung zu eilen – das Bewusstsein am schnell pochenden Puls der Welt zu sein, übt einen magischen Sog aus.

Wer hat denn Lust angesichts solcher Erfahrungen nach Hause zu eilen, um ein schreiendes Baby zu wickeln und zu füttern? Aus diesem Grund ergibt sich bei Karrierepaaren schnell eine Priorisierung der Karriere zu Ungunsten der Familie. Wenn diese Tendenz vertieft wird, entsteht zunehmend Distanz zur Familie. Das dadurch – zumeist auf Seiten der Männer – entstehende emotionale Defizit wird vielfach durch eine Verdichtung von Beziehungen am Arbeitsplatz aufgefüllt. Hier fühlen sie sich total verstanden, denn hier teilt man ja die Sorgen um die Sache. Flugs entwickelt sich eine Liebesbeziehung mit einer Mitarbeiterin und die Ehe mit der Doppelkarriere-Partnerin kommt ins Wanken.

Die US-Wissenschaftlerin Arlie Hochschild zeigt anhand amerikanischer Verhältnisse, wie sich bei Doppelverdienern oft ein regelrechter Zeitkrieg ergibt. Wenn beide Partner darauf bestehen, dass ihre Karriere zentral wichtig ist, geht keiner von beiden mehr nach Hause. Die Kinder werden dann nur noch den Kindermädchen überlassen.

Diese Priorisierung von Karrierebelangen steht aber auch auf der Basis eines Kulturkonflikts. Denn in unserer Gesellschaft ist eine grundsätzliche strukturelle Dominanz der Erwerbsarbeit gegenüber der Familienarbeit festzustellen. Das bedeutet, Arbeitszeit ist ernstliche, maskuline Zeit, sie muss ordentlich abgewickelt werden. Familienzeit dagegen gilt als Frauen- und Kinderzeit, die man verschieben kann. Wenn man heute keine Zeit hatte, mit dem Kind zu spielen wegen dringender Arbeiten, kann man es ja leicht auf morgen oder übermorgen verschieben. Es drängt ja nicht. Diese beiden Welten können allerdings ernstlich aufeinander stoßen, wenn etwa ein Kunde auf dem Handy wegen eines wichtigen Termins anruft und gleichzeitig das Kind weint, weil es sich verletzt hat. 

Im Büro ist Ordnung, zuhause das Chaos

Arlie Hochschild weist noch auf einen anderen Kulturunterschied hin: Im Berufsleben, soweit es sich in Organisationen vollzieht, findet jeder der Partner eine bereits bestehende Struktur vor, innerhalb derer er sich bewegen kann. Selbst wenn diese Strukturen heutzutage zunehmend labilisiert werden, sind sie doch noch stützender als die Situation zuhause. Im häuslichen Milieu bestehen keine anonymisierten Vorab-Strukturen, sie müssen von den Eltern erst selbst geschaffen und aufrechterhalten werden.

Das heißt, die vergleichsweise wohlgeordnete Welt der Arbeit kontrastiert vielfach mit dem Chaos zuhause, das immer wieder neu gebändigt werden muss. Wie Arlie Hochschild in ihren Befragungen ermittelte, bleiben die Berufstätigen möglichst lange an ihrem Arbeitsplatz, weil sie vor der unstrukturierten Welt zuhause eigentlich ausweichen. So hat etwa der Manager, der von seinen jüngeren Mitarbeitern hofiert wird, auch wenig Lust nach Hause zu gehen, wenn ihn dort ein trotziger Teenager und eine fordernde Ehefrau erwarten.

Bei den Innen/Innen-Konflikten innerhalb der Paarbeziehung geht es immer um Zuständigkeiten: Wer übernimmt dauerhaft welche Verantwortung in der Familie für was? Hier schlagen zunächst psychodynamische Merkmale durch. Wenn ein Teil des Paares, der besonders extrovertiert oder narzisstisch ist, sich besonders gerne in der Öffentlichkeit durch Vorträge und so weiter produziert, wird er oder sie kaum Lust haben, zuhause die weniger sensationellen Vorgänge, die mit Haushalt und Kinderbetreuung zusammenhängen, zu erledigen. So ergibt sich dann eine schleichende Asymmetrie zwischen dem Paar. Ein Teil investiert immer mehr Zeit in die Präsentation nach außen, der andere Teil ist bereit, das Familiensystem im Hintergrund zusammenzuhalten.

Hier schlagen nach Meinung von Clement und Clement immer auch geschlechtstypische Phänomene in der Partnerschaft durch. Denn Frauen sind durch ihre Sozialisation meist besser vorbereitet, „hintergrundsichernde“ Aufgaben zu übernehmen. Vereinfacht gesagt: Männer sehen den Dreck in der Ecke meist nicht, und es stört sie auch seltener, wenn sich die Kinder beim Essen bekleckert haben. Schon dadurch ergibt sich bei Doppelkarriere-Paaren ein zumindest latentes Komplementärverhältnis in Richtung der traditionellen Rollenverteilung. Symmetrische Paargestaltungen sind allerdings ohnedies äußerst schwierig längerfristig aufrechtzuerhalten.

Dabei zeigt sich aber auch, dass bei Doppelkarriere-Paaren vielfach Ambivalenz gegenüber der Frauenkarriere zu beobachten ist – nicht nur seitens der Männer, auch bei den Frauen selbst. Denn Frauen schrecken vielfach davor zurück, eine nächste Karrierestufe zu beschreiten, wenn der Partner noch nicht gleichermaßen reüssieren kann. Oder sie schieben ihre Promotion auf, wenn der Partner noch lange nicht fertig zu werden scheint. In anderen Fällen werden Frauen vor dem nächsten Karriereschritt noch schnell schwanger mit einer längeren Kinder-Auszeit, um sich statusmäßig nicht zu weit vom Partner zu entfernen.

Das größte Problem bei Doppelkarriere-Paaren scheint Versetzung oder regionale Veränderung der Berufstätigkeit von einem Partner zu sein. Die Paare erleben Versetzungen prinzipiell als negativ, weil sie zu stark in das private Gefüge eingreifen. In entsprechenden Untersuchungen zeigte sich bereits in den 70er und 80er Jahren, dass die Immobilität um so stärker ist, je höher und gleichwertiger die Ausbildung, die Erfahrungen und das Gehalt der Partner sind. Und auch heute ist die räumliche Mobilität von Doppelkarriere-Paaren noch immer ein gravierendes Problem. Eine Untersuchung der Personalberatung Baumgartner & Partner ergab, dass sich von 100 befragten Unternehmen nur zehn Prozent bei einem langfristigen Auslandsaufenthalt eines Partners ernsthaft um die beruflichen Möglichkeiten des anderen Partners bemühen.  

                                                                            Die spezifische Art der Liebesbeziehung

Wie bei Geschäftspartnern sind bei Doppelkarriere-Paaren eine Vielzahl von Fragestellungen sachbezogen zu verhandeln und gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Dadurch entsteht ein Gegenmodell zur heute oft hoch gepriesenen romantischen Liebesbeziehung, in der ja das Primat der emotionalen Übereinstimmung der Partner im Vordergrund steht. Emotionales „Wegschwimmen im Liebesrausch“ stellt so ziemlich das Gegenteil einer gelungenen DCC-Beziehung dar. Die Intimität und dadurch auch die Bezüge zu Sexualität, Freundschaft und Ehe werden hier immer durch die Notwendigkeit sachdienlicher Kooperation eingefärbt. Insofern stellt die Beziehung von Doppelkarriere-Paaren besonders hohe Anforderungen an die persönliche Reife der Partner.

Die „romantische Liebe“ entwickelte sich nach dem Rokoko, in dem Liebe und Sexualität oft betont getrennt gelebt wurden, denn neben der Ehe unterhielten vor allem Männer höherer Stände regelmäßig außereheliche Beziehungen. In der Romantik wurde dann eine Bündelung intimer Phänomene aus Freundschaft und Sexualität üblich. In dieser grundlegend demokratisierten und symmetrischen Liebesvariante treffen zwei Menschen aufeinander, um ihre existentielle Einsamkeit zu überwinden. Sie suchen im anderen maximale Korrespondenz, das heißt sie wollen sich auf ein beidseitig entwickeltes Extremmaß intersubjektiver Verständigung einsteuern.

Das Risiko liegt hierbei natürlich in der emotionalen Überfrachtung, die nun auch noch in einem rechtlich legitimierten Rahmen, eben der Ehe, zu realisieren ist. So ist die romantische Liebe immer von Enttäuschungsreaktionen des einen oder des anderen Partners bedroht. Wenn sich der zuerst geteilte Sinn als doch nicht so dauerhaft erweist oder anfänglich stark überinterpretiert wurde, muss im Sinne dieses Liebesschemas eine neue romantische Liebe, also ein anderer Partner gesucht werden.

Aus existenzphilosophischer Sicht kann aber „wahre Liebe“ erst dann entstehen, wenn jeder der Partner seine eigene existentielle Einsamkeit akzeptiert und dann zum anderen als gleichfalls Einsamen ein solidarisches Verhältnis eingeht. Bei dieser Art der Liebesbeziehung entsteht tiefes gegenseitiges Berührtsein vom anderen als je einmaligem Wesen. Deshalb spielt hier auch gegenseitiger Respekt eine zentrale Rolle.

Als Fazit für das Coaching von Doppelkarrierepaaren heißt das, dass der Coach das Paar dabei unterstützen sollte, sich von den Klischees romantischer Liebensbeziehungen zu lösen, ihre Beziehung zunehmend auf gegenseitigen Respekt zu gründen und sukzessive eine gute Streitkultur für alle ihre Kooperationsanforderungen zu entwickeln. 

Die Balance von Geben und Nehmen

Eine Gefahr bei den Aushandlungsprozessen von Doppelkarriere-Paaren ist auch, dass – ähnlich wie bei einer Geschäftsbeziehung – dabei zumindest unterschwellig immer in Frage im Raum steht, wer wie viel in die Beziehung investiert. Diese Aushandlungsprozesse benötigen als Grundlage Gerechtigkeits- oder zumindest Fairnessvorstellungen zwischen den Partnern.

Denn es finden – zumindest verdeckt – immer Bilanzierungen zwischen den Partnern statt. Wie bei Verdienstkonten wird zwischen den Partnern und innerhalb einer Familie ein möglichst gerechter Ausgleich zwischen individueller Schuld und individuellem Verdienst angestrebt. Jedes Individuum erwartet innerhalb einer Partnerschaft Entschädigung für seinen eigenen Einsatz. Andererseits entstehen im Leben von Doppelkarrierepaaren immer wieder Situationen, in denen ein Partner durch irgendwelche vorübergehenden beruflichen Ereignisse oder eine akademische Leistung weniger geben kann als der andere.

Langfristig werden sich allerdings auch hierbei Ungleichgewichte als Konflikt auswirken. Denn in vielen Fällen investiert ein Teil des Paares übermäßig viel Zeit und Energie in die familiäre Situation, meistens die Frau, weil sie erwartet, vom Partner dauerhaft geliebt zu werden. Das führt aber eher zu beidseitiger emotionaler Unfreiheit, als zur Etablierung einer guten Balance. 

Kampfspiele enden destruktiv

In Krisensituationen wechselt oft einer der Partner vom Gemeinschaftsprinzip zum Tauschprinzip, das heißt, dann wird jede Investition in die Beziehung möglichst punktgenau gegengerechnet. Das führt fast immer zu lang andauernden Kampfspielen, die in die Destruktion der Beziehung münden. Solche Aushandlungsprozesse ranken sich bei DCC besonders oft um die Berufszeit: Wer kann sich wie viel Zeit für seine Karriere genehmigen?

Als Fazit lässt sich formulieren: Jeder Partner sollte soviel in die Beziehung investieren, wie er freiwillig geben möchte und nicht für jede Investition des anderen sofort eine Gegenleistung erwarten. Beide Partner sollten sich klar sein, dass man vor jedem Nehmen geben muss. Beide Partner sollten dafür sorgen, dass eine Balance zwischen Geben und Nehmen besteht, aber gleichzeitig sollte jeder Partner nur soviel nehmen, wie er geben kann. Die Balance ist allerdings auch phasenspezifisch zu sortieren: Einmal hat der eine Partner, ein anderes Mal der andere Partner mehr Möglichkeiten zu geben. Und Kinder sollten die Paare eher als „Geschenk“, denn als verpflichtende Aufgabe betrachten. 

Das A und O: Orga und Zeitmanagement

Ein qualifizierter Umgang mit Zeit ist wahrscheinlich das zentrale Erfolgsgeheimnis von Doppelkarriere-Paaren. Das Leben eines DCC muss grundsätzlich ein relativ strikt geplantes Leben sein. Dabei spielt besonders die Relation von Berufs- und Privatzeit eine zentrale Rolle. Wie angesprochen, neigen viele Paare dazu, Freizeit und Familienzeit für dringend zu erledigende berufliche Tätigkeiten zu verwenden. Diese Zeit sollte aber Qualitätszeit sein, die man gezielt mit der Familie verbringt.

Damit das gelingt, müssen Freizeit und Familienzeit konsequent geplant werden. Arlie Hochschild beschreibt eindrucksvoll, wie viele Berufstätige sich mit der Planung des Berufs bereits so verausgabt fühlen, dass sie es versäumen, auch die Freizeit zu planen. Sie kommen dann aus der perfekt strukturierten Arbeit in eine völlig unstrukturierte Familiensituation.

Diese können sie dann nur noch als schrecklich chaotisch begreifen. Die Idee der meisten Menschen ist: „Ich komme nach Hause und entspanne mich einfach nur“. In einer DCC-Situation mit Kindern werden sie aber meistens genau dann total überrollt vom häuslichen Chaos. Das erzeugt natürlich massive Aversionen. Aus diesem Grund neigen viele Führungskräfte dazu, möglichst spät nach Hause zu gehen.

Die Notwendigkeit einer Planung von Freizeit ist die entscheidende Basis eines soliden Familienmanagements. Hierbei ist der erste Schritt, dass sich das Paar klar wird: Ohne Helfer geht es nicht. Selbst wenn Oma und Opa zur Verfügung stehen, sollten professionelle, also bezahlte Helfer den Job übernehmen. Oma und Opa kann man nämlich nicht einfach „anweisen“, wie die Kinder ordentlich ins Bett gebracht werden sollen. Das Familienleben funktioniert reibungsloser mit bezahlten Dienstleistern. Diesen muss man dann auch nicht ständig dankbar sein.

So beginnt die Planung bereits bei einer generellen Strukturierung des Familienlebens. Das bedeutet auch, Reinigungshilfe oder Haushälterin, Kindermädchen und andere Helfer sollten eingeplant werden. Sie sind möglichst professionell auszuwählen, anzuleiten, zu kontrollieren. Auch der tagtägliche Feierabend sollte geplant werden. Weder Mann noch Frau sollten also nicht etwa nur die Füße hochlegen, denn die Kinder wollen auch zu ihrem Recht kommen, man soll ihnen vorlesen, mit ihnen spielen. Wochenenden und die Urlaube geraten auch grundsätzlich glücklicher und befriedigender, wenn sie solide vorgeplant werden. 

Verlässlichkeit ist ein zentraler Punkt

Je klarer die Familienzeit geplant wird, desto deutlicher grenzt sie sich zur Arbeitszeit ab, desto verlässlicher ist die Situation für die Kinder. Nichts ist für Eltern wie Kinder nervtötender, als wenn die Kinder ständig auf später vertröstet werden und sie den Eltern laufend hinterquengeln. Kinder jeden Alters sind ausgesprochen liebenswürdig, wenn sie sich auf die Versprechen der Eltern verlassen können.

Ein „gutes“ Leben eines Doppelkarrierepaares ist also ein gut geplantes Leben. Das heißt nicht, dass es nun zwanghaft zugehen muss, aber die Verlässlichkeit ist für alle ein zentraler Punkt. Wie sich vielen empirischen Untersuchungen entnehmen lässt, ist es für Kinder durchaus akzeptabel, wenn beide Eltern berufstätig sind. Wichtig ist aber, dass die Zeit, die sie mit ihren Eltern verbringen, eine gute, eine qualifizierte Zeit ist. Dann werden sie auch später gerne an diese Zeit zurückdenken.

Doppelkarriere-Paare sollte man also ermutigen, dass sie ihr Familienleben als Managementaufgabe begreifen, die es möglichst geplant in die Hand zu nehmen gilt, dass bereits vor der Geburt der Kinder einige grundsätzliche Überlegungen gemeinsam angestellt werden, welche Helfer professioneller oder verwandtschaftlicher Art wie eingeplant werden. Und wenn die Kinder geboren sind, ist es sinnvoll, die gesamte Lebenssituation noch einmal neu zu justieren und zu überlegen, welche Unterstützung notwendig ist, um unnötigen Stress zu vermeiden.

Auch beim Heranwachsen der Kinder sollte immer wieder überlegt werden, was geplant werden muss und welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, dass Eltern wie Kinder ein glückliches Leben haben.