Ipp, zipp, zapp und du bist ab!

Praktikumsplätze gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Für Studierende ist das toll – aber auch eine Last. Denn angesichts der großen Auswahl fällt die Entscheidung schwer: Welches Praktikum ist bloß das Richtige? Wie viele müssen es überhaupt sein? Darf man kunterbunt mischen? Oder braucht‘s dringend einen roten Faden? Und wie passt der Praxiseinsatz überhaupt in den Stundenplan?

Simone Schneider hat schon viel ausprobiert: zwei Monate lang die Unternehmensberater von Boston Consulting durch ihren Arbeitsalltag begleitet, sechs Wochen bei SAP beim Thema Nachhaltigkeit mitgearbeitet, in ein Pharmazieunternehmen in Paris reingeschnuppert und eine weitere Unternehmensberatung aus der Nähe kennengelernt. Ihre Bachelor-Uni, die private WHU in Vallendar, legte sehr viel Wert auf Praktika und sah sie deshalb auch gleich als regelmäßiges Pflichtprogramm im Studium vor.

Mittlerweile liegt Simone Schneider mit ihrem CEMS-Master in internationaler Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien in den letzten Zügen und ist froh über ihren bunten Praktikumsstrauß: „Ich habe dabei ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht“, sagt die 24-Jährige. „Das war mir immer wichtig. Und nie habe ich mir Gedanken darüber gemacht, ob es im Lebenslauf nicht so gut aussehen könnte, wenn ich viele verschiedene Stationen besuche. Bislang habe ich von Unternehmen darauf eher positives Feedback bekommen. Schließlich muss ich doch den Beruf finden, der mir Spaß macht. Ich denke, dass ich mir so ein gutes Gerüst aufbaue, um mich im Anschluss an den Master zu bewerben.“

Die Vorteile von mehreren unterschiedlichen Praktika liegen auf der Hand: Man lernt ganz verschiedene Berufe, Menschen und Aufgaben kennen und kann sich gut ein Bild davon machen, was Freude macht  – und wovon man lieber die Finger lassen möchte. Ein gutes Rüstzeug für eine spätere Jobentscheidung.

So sieht das auch Christine Keiner, die bei SAP unter anderem zuständig ist für die Rekrutierung von Studenten und Hochschulabsolventen: „Aus meiner Sicht spricht überhaupt nichts dagegen, verschiedene Berufsfelder auszuprobieren“, sagt sie. Praktika seien auch dazu da, sich zu orientieren: „Die Studenten sollen sich die Zeit ruhig nehmen, durch Praktika Einblick in verschiedene Bereiche zu bekommen.“ Nach dem Studium sei es schließlich schwierig, diese unterschiedlichen Erfahrungen zu sammeln.

Manche Personalchefs finden es tatsächlich richtig gut, wenn sich Bewerber für viele verschiedene Bereiche interessieren. Auf andere Personaler wirkt eine Vielzahl an Stationen dagegen schnell unentschlossen. Sie vermissen den roten Faden in der Auswahl und im Lebenslauf und halten den Kandidaten für sprunghaft.

Zum Wunschjob vortasten

Der Grat zwischen Ausprobieren und Verzetteln ist schmal. Eine bunte Mischung ist prima, solange sie erklärbar ist und eine Entwicklung zeigt. Ein Beispiel: Wer sagenhafte fünf Praktika schafft und dabei mit einer Stippvisite im Marketing beginnt, Stationen in Organisation, Personal, Produktion und Controlling anschließt und einem Personaler dann bei der Bewerbung erzählt, dass Marketing für ihn nun die Erfüllung ist, nährt Zweifel und muss gut erklären können, warum er so lange bis zu dieser Erkenntnis gebraucht hat.

Bei solch einer Konstellation wäre es dann überzeugender, wenn – nachdem die Entscheidung dann doch für Marketing gefallen ist – Praktikum Nr. fünf eines in einem vertiefenden Marketingbereich gewesen wäre. Ein Personaler kann den bunten Praktikumsstrauß dann eher als Bereicherung der Vita und Entscheidungsprozess sehen. Und der Student ist ebenfalls einen Schritt weiter, weil er schon eine Vertiefungsrichtung in seinem Wunschthema kennen gelernt und idealerweise für gut befunden hat.

Praxiseinsätze in Firmen sind dafür da, sich vorzutasten: An eine Branche, eine Funktion, eine Unternehmensgröße und eine Unternehmenskultur, in der man sich wohl fühlt und in der man sich den Jobeinstieg gut vorstellen kann. Darüber hinaus sollen Studenten in Unternehmen Erfahrung sammeln, die sie später im Job einsetzen können. Dazu zählt sowohl Fachliches als auch die beliebten Soft Skills. Und zu guter Letzt geht es natürlich darum, Kontakte zu knüpfen, potenzielle Arbeitgeber auf Herz und Nieren zu prüfen und sich selbst für später zu empfehlen. Wer mehr oder weniger wahl- und ziellos Praktikumsorte und -themen aneinanderreiht, verschenkt deshalb das eigentlich Nützliche an den Praxiseinsätzen.

Irgendwann muss eine Entscheidung her

Für die optimale Anzahl und die beste Zusammenstellung gibt es indes kein Patentrezept. Vielmehr geht es für Studenten darum, selbstbewusst die eigene Mischung zu finden, die es braucht, um sich fit für eine Jobentscheidung zu machen.

Fein raus sind diejenigen, die schon nach einem einzigen Praktikum wissen: „Genau das ist mein Job!“ Und vielleicht sogar schon: „Das ist meine Firma!“ Für die geht es dann in der Folge darum, das Thema zu vertiefen, die Kontakte zu intensivieren. Vielleicht schaut man sich mal noch andere Unternehmen an, um sich nicht zu sehr zu versteifen, aber letztlich sollte man sich fortan in seinem Thema suhlen, so oft man möchte – und kann. Wer sich in einem Bereich wohl fühlt, sollte seinem Bauchgefühl trauen und sich dafür entscheiden. Da braucht es dann nicht mehr den Zug durch alle anderen Abteilungen, nur um absolut sicher zu gehen. Weitaus nützlicher wäre es, in der Folge tiefer in die neue Lieblingsspielwiese einzutauchen und erste Schwerpunkte auszuprobieren. So windet sich mit der Zeit ganz von allein ein roter Faden durch die Ausbildung.

In der Praxis stoßen aber wohl die wenigsten Studenten gleich beim ersten Anlauf auf ihren Traumjob. Die meisten müssen sich erst sukzessive durch Praktika, Nebenjobs & Co an ihre Idealbedingungen heranrobben. Stefanie Lohmann, Personalreferentin bei der Rewe Group in Köln, sieht es deshalb grundsätzlich nicht als Nachteil an, wenn Studenten zu Beginn ihres Studiums Praktika in unterschiedlichen Bereichen absolvieren. Doch sie schränkt auch ein: „Spätestens zum Ende des Studiums sollten sie wissen, welches Berufsfeld sie anstreben.“ Wer zielstrebig Praktika mache, überzeuge auch später eher die Personalchefs. So ist es möglicherweise nicht dumm, die Bachelorzeit für das Austesten der groben Richtung und die Masterzeit fürs praktische Vertiefen des ausgeguckten Themas zu nutzen.

Praktikum Marke Eigenbau anbieten

Soweit zumindest die Theorie. Denn in der Praxis müssen viele Studenten knappsen, um überhaupt Praktika im straffen Stundenplan unterzubringen. Zeit haben die wenigsten zu verschenken. Laut einer Studie des Karriere-Dienstleisters Access schaffen die meisten Studierenden während ihres Studiums gerade mal ein Praktikum. Die neuen Abschlüsse lassen einfach wenig Raum.

Zwar lassen erste Unternehmen kürzere Einsatzzeiten zu oder erlauben es Studierenden Praktika zu stückeln – in den Unternehmensporträts dieses Jobguide Praktikum haben wir jeweils auch die gewünschte Mindestdauer für Praktikumseinsätze abgefragt – aber so richtig zufriedenstellend ist das Ganze noch nicht. Das Zauberwort heißt: Flexibilität. Auf beiden Seiten. Warum also nicht mal Praktika ins Auge fassen, die nur an einem Tag in der Woche stattfinden, dafür aber über einen längeren Zeitraum laufen? Oder ein eigenes Modell entwickeln, das besser in den Stundenplan passt? Zumindest in der Theorie sind da viele Varianten der herkömmlichen Blockpraktika denkbar.

Studierende, die Platzprobleme haben, sollten sich ein Herz fassen und Unternehmen einfach mal mit konkreten Vorschlägen konfrontieren. Gerade bei kleineren Unternehmen kann das – wegen des kürzeren Dienstweges – durchaus erfolgversprechend sein. Bei Konzernen sieht das noch etwas anders aus. Flexible Modelle gibt es bislang nur wenige. Der Grund: Solche Veränderungen betreffen den ganzen Konzern. Das bedeutet, dass das Rad, das dort gedreht werden muss, deutlich größer ist. Jede Abteilung muss die Aufgaben für die Praktikanten neu festzurren.

Doch was können Studenten tun, wenn das Wunschunternehmen nicht offen ist für ein flexibles Praktikumsmodell und sich mehrere Monate Abwesenheit partout nicht in den Stundenplan integrieren lassen? Da bleibt zunächst mal die Option, die Zeit vor und nach einem Studium beziehungsweise zwischen dem Bachelor und dem Master zu nutzen. Viele Studenten verschaffen sich auf diese Weise Luft für ein Praktikum. Ein gutes Modell – allerdings mit kleinen Haken. Denn jenseits des Studiums verlieren Studenten in aller Regel ihren Studentenstatus und unterliegen den Steuer- und Sozialversicherungsregeln wie normale Arbeitnehmer. Das sollten angehende Praktikanten im Vorfeld auf jeden Fall mal mit Krankenkasse und Finanzamt klären. Wer sein Praktikum antritt und noch die Bachelor-Immatrikulation oder schon die für den Master in der Tasche hat, fährt in der Regel besser. Möglicherweise lässt sich mit der Hochschule eine entsprechende Vereinbarung treffen.

Wer erst nach seinem Master ein Praktikum machen möchte, könnte Probleme bekommen, überhaupt einen Platz zu finden. Über 1.800 Unternehmen haben sich bereits innerhalb der Fair-Company-Initiative des Handelsblatts verpflichtet, keine Absolventen mehr als Praktikanten zu beschäftigen. Wer also auf diesen Zeitpunkt angewiesen ist, tut gut daran, lange vorher bei den angepeilten Unternehmen diesen Umstand zu klären.

Wer sich den ganzen Wickel rund um den Studentenstatus sparen will, hat eigentlich keine andere Chance als während des Studiums Zeit für das Praktikum freizuschaufeln. Studierende können dann zum Beispiel ein Urlaubssemester nehmen und sich einem Praktikum widmen, sobald beispielsweise die Abschlussarbeit in trockenen Tüchern ist. In dieser Zeit können sie dann auch von den Studiengebühren befreit werden, und auch bezüglich der Bafög-Ansprüche sind Urlaubssemester neutral. Dass Studenten dadurch zwangsläufig die Regelstudienzeit nicht schaffen und insgesamt etwas länger studieren, stört die Unternehmen in der Regel nicht, wenn es quasi als Gegenleistung dafür mehr einschlägige Berufserfahrung gibt. Unterm Strich müssen Studenten einfach schauen, was geht. – Bei ihnen, bei der Hochschule und den Unternehmen.

Wenig Zeit für „einfach nur mal gucken“

Angesichts der Probleme mit dem knappen Zeitbudget ist aber auch klar: Praktika allein zur Orientierung können sich Studierende eigentlich gar nicht leisten. Studienberater Michael Borchardt von der Uni Freiburg rät deshalb auch, zielstrebig nach Praktikumsplätzen Ausschau zu halten. „Drei oder vier Monate Praktikum allein zur Orientierung zu nutzen, halte ich für zu viel.“ Deshalb geht es nur mit einer halbwegs guten Planung, sagen Studien- und Karriereberater. Sie empfehlen, sich möglichst früh Gedanken zu machen:

  • Welches Praktikum hilft mir überhaupt weiter?
  • Was möchte ich eigentlich lernen?
  • Über welche Aspekte – Branche, Bereich, Firmengröße – möchte ich mir im Klaren werden und was weiß ich bereits?

Und längst nicht jedes Praktikum eignet sich, um einen Fuß in die Tür zu bekommen. Kaffeekochen und Kopieren alleine bringen noch keine Referenzen für den Lebenslauf. Zu einem hilfreichen Praktikum gehört deshalb auch, im Vorfeld mit dem Unternehmen genau abzustimmen, welche Aufgaben anstehen und wo man eingesetzt wird.

Erkenntnisse regelmäßig auswerten

Damit einen jedes, und sei es auch ein schlechtes Praktikum weiterbringt, empfiehlt es sich, jeden Einsatz im Anschluss zu benoten und diese Wertung auch noch mal zu überdenken, nachdem man Stipp­visiten in weiteren Unternehmen hinter sich hat. Im direkten Vergleich tauchen dann vielleicht noch positive Aspekte auf, die einem früher nicht aufgefallen sind oder die einem zuvor noch nicht so wichtig waren. Die abschließende Bilanz zeigt: Was hat gefallen? Was nicht? Und bei der Analyse sollte man nicht nur auf die Tätigkeiten und die Themen achten, sondern auch auf das Drumherum. War die Unternehmensgröße okay? Der Ton, der dort herrschte? Würde ich mir so einen Arbeitsplatz wünschen oder will ich es moderner oder traditioneller? Hat etwas gefehlt?

Hat man in seinem Praxiseinsatz Aspekte ausgemacht, die einem gut gefallen und die man im späteren Job finden möchte, gilt es in dieser Richtung zu suchen und die negativen Aspekte zu vermeiden. Wenn einem beispielsweise die Tätigkeit gefallen hat, aber nicht die hierarchischen Strukturen eines Konzerns, könnte man sich beim nächsten Praxiseinsatz mal in einem kleineren Laden umsehen oder umgekehrt. Wer so ständig in sich hineinhört, erhält mit der Zeit ein genaueres Bild, wo es denn später mal hingehen soll und wie der Job und der Chef gestrickt sein sollen. Und bekommt bei seinen Praktika  ein rundes Bild hin.  

Ulrike Heitze, Britta Mersch