Wirtschaftsprüfermarkt: Die neue Drei-Klassen-Gesellschaft

Vier übermächtige Marktgiganten und nur noch fünf statt zehn Verfolger. Der Rest kämpft ums Überleben – so sieht laut FAZ der neue Wirtschaftsprüfermarkt aus.

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Für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gibt es seit einigen Jahren eine magische Umsatzgrenze. Mindestens 100 Millionen Euro muss eine Wirtschaftsprüfungsfirma umsetzen – so heißt es – um eine bedeutende Rolle in der Branche zu spielen. Diese magische Grenze zu erreichen, das haben 2017 nur neun Gesellschaften geschafft – wie die aktuellen Geschäftszahlen belegen, die die Beratungsgesellschaft Lünendonk & Hossenfelder im Juli 2018 vorgelegt hat.

Der Konzentrationsprozess im Wirtschaftsprüfermarkt hat an Fahrt aufgenommen. Gab es hinter dem Führungsquartett aus PwC (2,07 Milliarden Euro Umsatz), EY (1,83 Milliarden Euro Umsatz), KPMG (1,66 Milliarden Euro) und Deloitte (1,35 Milliarden Euro) lange Zeit eine Verfolgertruppe aus zehn Gesellschaften, ist diese mittlerweile auf fünf Adressen zusammengeschrumpft: BDO kam 2017 auf 230 Millionen Euro Umsatz, Rödl & Partner auf 218 Millionen Euro, Ebner Stolz auf 197 Millionen, Baker Tilly auf 148 Millionen Euro und Mazars auf 135 Millionen Euro. Warth & Klein befand sich mit 96 Millionen Euro knapp unter der magischen Grenze. Im Feld darunter konnte ETL mit einem Wachstum von 28 auf 48 Millionen Euro punkten.   

Der Markt insgesamt wuchs um 3,4 Prozent auf 15 Milliarden Euro, wobei die vier größten Anbieter erneut von einem Wachstum von 15 Prozent für sich ausgehen..

Ein Großteil des Wachstums der Big Four erklärt sich aus einer Umverteilung des Umsatzes von den kleineren zu den größeren Gesellschaften. Ein weiterer Teil ist der guten wirtschaftlichen Lage Deutschlands zu verdanken, die automatisch ein Wachstum bei Beratung und Prüfung mit sich bringt. Hinzu kommen aber noch zwei gravierende Marktveränderungen. Zum einen setzen immer mehr Konzerne bei ihren Prüfgesellschaften auf international agierende Häuser, weil sie selber grenzübergreifend tätig sind, zum anderen ist es die Digitalisierung. Sie zwingt auch die Prüfer zu Investitionen. Deloitte investiert weltweit zwei Milliarden US-Dollar in die Digitalisierung. Das sind Größenordnungen, die die kleineren Häuser gar nicht abbilden können.

Außerdem vertrauen Mandaten in Bezug auf das Thema Haftung lieber auf die Finanzkraft der Big Four. Wenn PwC eine Schadensersatzzahlung von 625 Millionen US-Dollar – das Urteil ist noch nicht rechtskräftig – wie zuletzt in einem Bankenskandal in den USA – zahlen soll, überlegen sich Auftraggeber sehr genau, ob der von ihnen gewählte Prüfer im Ernstfall einen Schaden auch wirklich ausgleichen kann. So landen auch sie bei den Großen, während kleinere Häuser schon aus Risikogründen überlegen müssen, einen Prüfmandanten aus Risikogründen anzunehmen – oder eben besser abzulehnen, wenn sie als Prüffirma nicht in der Lage wären bei einer Fehlentscheidung den Schaden auszugleichen. 

Eine Wachstumshürde haben auch die Big Four: Es fehlt an Fachpersonal. Lediglich 300 bis 400 junge Wirtschaftsprüfer legen jedes Jahr ihr WP-Examen ab. Das ist zu wenig, um die Gesamtbranche mit 20.000 Prüfern auf lange Sicht aufrechterhalten zu können. Das Durchschnittsalter der Prüfer liegt derzeit bei 55 Jahren. Die Branche hat also ein handfestes Nachwuchsproblem.

Quelle: FAZ, 10. Juli 2018, Printausgabe S.21