Wirtschaftsprüfer mit Digitalprofil gesucht

Wirtschaftsprüfer suchen händeringend Nachwuchs mit Digital-Know-how, schreibt das Handelsblatt. Die „Kleinen“ versuchen, mit Netzwerken den Big Four den Rang abzulaufen, allen voran BDO, schreibt die FAZ.

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Ein Problem haben fast neun von zehn Wirtschaftsprüfern sowie Steuerberatern gemeinsam: den Fachkräftemangel. Das belegt eine Online-Umfrage des Marktforschungsunternehmens S.W.I. Finance unter 5.000 Berufsträgern. Gleich doppelt problematisch ist, weil viele Kanzleien wegen der Corona-Krise derzeit an der Grenze ihrer Belastbarkeit arbeiten. Neben der regulären Arbeit müssen sie auf einmal für ihre Mandanten auch noch Kurzarbeitergeld beantragen, ihnen helfen, staatliche Zuschüsse abzurufen und die notwendigen Vorarbeiten leisten, um an Überbrückungskredite zu kommen.

Digitale Geschäftsmodelle verstehen
Das Problem: Um den durch die Digitalisierung gestiegenen Anforderungen im Beruf gerecht zu werden, reicht die normale Ausbildung schon nicht mehr aus. Die Kanzleien haben klare Vorstellungen von dem Bewerberprofil. Beste Chancen haben Fachleute mit Digital-Know-how. Denn Wirtschaftsprüfer wie Steuerberater müssen digitale Abläufe in der Kanzlei verstehen, da immer mehr Arbeiten automatisiert per Software ablaufen. Sie müssen aber auch digitale Geschäftsmodelle der Kunden kennen und verstehen, um sie zu prüfen.

BDO setzt auf Netzwerke
Dabei kommt es auch immer auf die Gesellschaft an, zu der Nachwuchskräfte wollen. Der Markt ist beherrscht von den Big Four (PWC, KPMG, EY und Deloitte) mit jeweils 1,5 bis 2,5 Milliarden Euro Umsatz, ehe mit weitem Abstand auf Platz fünf mit BDO (Umsatz 262 Millionen Euro) die sogenannten Next Ten folgen. BDO macht dabei exemplarisch vor, wie sich die mittelgroßen Häuser gegen die Übermacht der Big Four wehren können: mit Netzwerken.

Wirtschaftsprüfung hat stark zugelegt
Die Hamburger Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist in Deutschland die Nummer fünf im Markt und führt das Verfolgerfeld hinter den Big Four an. Um sich für den verschärften Wettbewerb mit den vier Platzhirschen zu wappnen, hat sich das Haus in den letzten Jahren personell, technisch und organisatorisch neu aufgestellt. BDO hat Abschied genommen von der traditionellen Spartenaufteilung nach Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Unternehmensberatung und sich stattdessen nach Kundengruppen organisiert. Mit Erfolg: In der Wirtschaftsprüfung, die mit 44 Prozent Umsatzanteil das bedeutendste Standbein ist, legte BDO um mehr als neun Prozent auf 115 Millionen Euro zu. Um noch mehr Personal auch für größere Prüfmandate vorhalten zu können, erwarb BDO in den vergangenen anderthalb Jahren die DPI in Leer und Dr. Daiber & Partner in Stuttgart, zwei kleinere Gesellschaften mit sechs beziehungsweise fünf Millionen Euro Jahresumsatz.

Das Ziel sind Dax30-Mandate
Neben diesen Zukäufen will BDO aber auch über einen anderen Weg zum Nukleus einer Sammlung vor allem kleinerer Kanzleien heranwachsen. Wer nicht gleich den Schritt der Integration durch Übernahme gehen will, dem bietet BDO eine Partnerschaft im „Empfehlungsverbund BDO Deutschland Alliance“ an. Zwei Partner gibt es schon, mit neun weiteren laufen Verhandlungen. Hintergrund dieser Aktivitäten: BDO sieht sich nicht als Verfolger, sondern als Angreifer der Big Four, um eins der begehrten Dax30-Prüfmandate zu ergattern. Die Chancen stehen gut: Durch die Zwangsrotation gelingt BDO schon mal der Sprung in die Kandidatenliste – und das Haus ist auch groß genug, um solch einen Auftrag zu stemmen.

 

Quelle: Handelsblatt, FAZ, 17. März 2020, Printausgabe Seite 18