Unterwandern Wirtschaftsprüfer deutsche Universitäten?

Die Big Four der Wirtschaftsprüfung haben durch Stipendien, Sponsoring, Forschungsmittel und Referenten ein dichtes Beziehungsgeflecht zur Hochschullandschaft aufgebaut. Dort lassen sie ihren Nachwuchs gezielt ausbilden – auch in Sachen Steuersparmodelle, schreibt die Süddeutsche Zeitung (SZ).

Dabei geht es nicht nur um die Anwendung legaler Steuerpraktiken, sondern konkret um praxisnahe Fälle und Spezialfragen in multinationalen Unternehmen. Anders formuliert: In der wissenschaftlichen Ausbildung der Nachwuchskräfte geht es auch um die Schaffung aggressiver Steuersparmodelle und Gestaltungspotenziale, wie sie zuletzt mit Lux-Leaks in die Diskussion geraten sind. Die Big Four – PwC, EY, Deloitte und KPMG – hätten dabei systematisch ein Netz gespannt und die deutschen Universitäten unterwandert, lautet der Vorwurf der SZ. 

Nach eigener Aussage fördert PwC etwa gut ein Dutzend Doktoranden- und Assistenzstellen und engagiert sich an knapp 100 Hochschulen finanziell, EY ist an 50 Hochschulen aktiv sowie punktuell an 50 weiteren. Außerdem forschen rund 15 EY-Mitarbeiter parallel zum Job an einer Uni. KPMG schickt jährlich 120 Mitarbeiter zu Lehrveranstaltungen und Vorträgen. Gemeinsam haben die Big Four zudem einen berufsbegleitenden Master-Studiengang mit Schwerpunkt Wirtschaftsprüfung und Steuern initiiert, der an vier Universitäten angeboten wird. 

Die zentrale Frage des SZ-Beitrags lautet: „Machen sich die Hochschulen so zum Werkzeug?“ Tatsache ist, dass die Politik die Hochschulen wegen der angespannten Staatskassen darin bestärkt, private Drittmittel zu organisieren. Im Falle der Big Four wirkt das Ganze jedoch kurios. „Hier entsteht Wissen, hier züchtet man Fachleute, die ihre Steuerkenntnisse dann anwenden können, um den Staat um Einnahmen zu bringen – was die Misere der staatlichen Kassen weiter verschärft.“ 

Die Big Four bestätigen der SZ ihr Engagement. Es gehe um „Wissensaustausch zwischen Theorie und Praxis“, man nehme aber keinen Einfluss. Die Werbung der Hochschulen spräche da eine andere Sprache, hält die SZ dagegen. „In Papieren der Vier heißt es, dass die Big Four und ein Branchenverein das Lehrangebot ‚entwickelt’ haben. Die Hochschulen hätten sich bewerben können, den Studiengang vor Ort umzusetzen“. Problematisch seien auch die personellen Verquickungen – etwa wenn zusätzliche Mitarbeiter der Big Four Klausuren korrigierten, weil das Personal am Lehrstuhl knapp sei. 

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Horst Hippler kommentiert das Ganze schlussendlich wie folgt: „Vorhandenes Wissen muss in Studiengängen vom Fach diskutiert werden, alles andere wäre naiv.“ Das gelte auch bei Angeboten, die sich mit Steuern befassen. „Wir haben die Problematik an vielen Stellen in der Wissenschaft“, sagte Hippler der SZ. „Es gibt Grundlagenforschung, die auch zu militärischen Zwecken anwendbar ist – deshalb ist das noch lange keine Aufforderung, das auch zu tun“. 

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 12. Dezember 2014, Print-Ausgabe Seite 20