Der Insolvenzverwalter als Restrukturierungsberater

Früher war der Insolvenzverwalter der autoritäre Herrscher über das Firmenvermögen. Im Verborgenen verteilte er, was noch übrig war. Heute ist er als Dienstleister und Restrukturierungsberater gefragt, meldet das Handelsblatt.

Unsplash

Geht es der Wirtschaft gut, leiden die Insolvenzverwalter. Seit 2009 ist die Zahl der jährlichen Pleiten um gut ein Drittel zurückgegangen.

Immerhin hat der Gesetzgeber mit der Einführung des Insolvenzverfahrens in Eigenregie den Insolvenzverwaltern ein neues Geschäftsfeld verschafft – als Restrukturierungsberater. Seit 2012 möglich, machte bei den 50 größten Insolvenzen der Anteil der Insolvenzverfahren in Eigenregie schon 54 Prozent aus, so eine Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group.

Das sogenannte „ESUG-Verfahren“ (ESUG = Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) hat auch zu einem Rollenwandel bei den Insolvenzverwaltern geführt. Vorbei die Zeiten, in denen der Insolvenzverwalter als allmächtiger Herrscher die letzten Reste eines Unternehmens mehr oder minder im Verborgenen verteilte. Heute wird die Tätigkeit des Insolvenzverwalters stärker als Dienstleistung verstanden. Will ein Insolvenzverwalter seine Sache gut machen, muss er zwischen allen Parteien vermitteln, den Geschäftsführer unterstützen und mit allen Mitteln versuchen, das Unternehmen weiter am Leben zu halten.

Auch das bringt Geld, weil ein Verfahren in Eigenregie beratungsintensiv ist. Viele Aufträge kommen denn auch heute schon lange vor einer möglichen Pleite. Die Managementberatung A.T. Kearney hat eigens dafür sogar eine eigene Tochtergesellschaft für das Restrukturierungsgeschäft gegründet, die Interimsmanager vermittelt, wenn es darum geht, einem Unternehmen in Schieflage rechtzeitig zur Wende zu verhelfen.

Künftig könnte sich das Spektrum für Restrukturierungsberater sogar noch verbreitern. Denn eine neue EU-Richtlinie hat den einzelnen Ländern ins Pflichtenheft geschrieben, dass sie künftig ein vorinsolvenzliches Verfahren einführen sollen. Es soll Unternehmen in der Krise ermöglichen, ihr Schulden zu restrukturieren, ohne zwingend ein gerichtliches Insolvenzverfahren durchlaufen zu müssen. Ist doch eine Insolvenz immer mit einem Makel verbunden. Wie die Abgrenzung von einem vorinsolvenzlichen zu einem Insolvenzverfahren laufen soll, darüber streiten aber derzeit noch die Experten.

Quelle:Handelsblatt, 26. April 2018