Internetgiganten jagen Beratern MBA-Absolventen ab

Amazon, Google & Co. graben den Strategieberatern und Investmentbanken zunehmend den heiß begehrten MBA-Nachwuchs ab. Der verstärkte Wettbewerb verdirbt mitunter die guten Sitten, schreibt das Handelsblatt. 

Navy Petty Officer 1st Class Tim D. Godbee / wikimedia

In der vordigitalen Zeit standen bei MBA-Absolventen zwei Karrierewege ganz oben auf der Agenda. Wer einen Abschluss von Harvard, Wharton oder Insead in der Tasche hatte, heuerte im Anschluss an das Studium meist bei einer Strategieberatung oder in einer Investmentbank an. Hier winkten die besten Aufstiegschancen, hier gab es das meiste Geld.

Tempi passati. In den vergangenen vier Jahren haben Internetgiganten wie Amazon, Google, Microsoft, Salesforce, Uber und Expedia die MBA-Schools auch für sich als Kaderschmieden entdeckt. Allein Amazon startete 2017 eine wahre Einstellungsoffensive und köderte McKinsey, Goldmann Sachs & Co. gleich 1.000 Spitzenkandidaten vor der Nase weg.

An der London Business School (LBS) stieg der Anteil der MBA-Absolventen, die bei einem Arbeitgeber aus dem Technologiesektor einstiegen, innerhalb von nur vier Jahren um 50 Prozent. Jeder fünfte LBS-Absolvent soll sich bereits heute bei der Wahl des ersten Arbeitsgebers für ein Unternehmen aus der Digitalwirtschaft entscheiden.

Warum als Berater aus dem Koffer leben, wenn ein Technologiekonzern die Aussicht bietet, am Puls der neuen Digitalwirtschaft spannende Innovationen mit zu entwickeln und zugleich daneben noch ein normales Leben führen zu können? Doch nicht nur die Aussicht auf eine gescheite Work-Life-Balance überzeugt immer mehr MBA-Kandidaten statt bei McKinsey & Co. lieber bei Amazon ihren ersten Arbeitsvertrag zu unterzeichnen.

Die Technologiekonzerne fahren gleichzeitig auch Spitzengehälter auf. Bei Amazon kann der Absolvent einer renommierten Business-School mit 173.000 Euro im ersten Jahr rechnen. Das Finanzpaket setzt sich aus Begrüßungsgeld, Jahresgehalt und Bonus zusammen. McKinsey zahlt 185.000 Euro, die Boston Consulting Group 191.000 Euro und Goldmann Sachs 180.000 Euro, hat der Datendienstleister Transparent Career laut Handelsblatt ermittelt. An der Business-School Chicago Booth hat sich Amazon schon nach McKinsey und vor The Boston Consulting Group als beliebtester Arbeitgeber auf Platz zwei vorgearbeitet. In Europa geht Amazon vor allem in London und Paris auf Recruiting-Tour, soll aber auch in Berlin und Leipzig seine Angel bereits ausgeworfen haben.

Quelle:Handelsblatt, 25. Februar 2018