Atos ist nicht nur künstlich intelligent

Atos ist in Deutschland hinter T-Systems die Nummer zwei im IT-Servicegeschäft. In enger Kooperation mit Siemens und Google wollen die Franzosen jetzt die IT-Dienstleistung rund um die digitale Industrie weltweit aufrollen, meldet die FAZ. 

Atos

Sie kamen als Problemlöser, von dem sich Siemens eigentlich schnell trennen wollte und entpuppten sich am Ende doch als Traumpartner: Nur sieben Jahre ist es her, dass der französische IT-Dienstleister Atos die defizitäre Sparte Siemens IT-Solutions (SIS) übernahm, weil der deutsche Industriekonzern seine IT-Sparte nicht in den Griff bekam. Siemens musste den Franzosen den Erwerb von SIS 2011 sogar versüßen, mit einer Mitgift von 900 Millionen Euro plus Serviceaufträgen, die sich bis heute auf 5,5 Milliarden Euro summieren. Doch das Investment hat sich für beide Partner gelohnt.

Heute ist Siemens nicht nur der größte Kunde von Atos, sondern auch der wichtigste Forschungs- und Entwicklungspartner sowie Hauptaktionär. Weltweit setzt Atos 13 Milliarden Euro um, davon allein mit 12.000 Mitarbeitern zwei Milliarden Euro in Deutschland.

Beide Unternehmen – Siemens und Atos – wollen nun die Partnerschaft vertiefen und haben dafür die Mittel für ihr gemeinsames Forschungs- und Innovationsprogramm um 100 Millionen Euro auf 330 Millionen Euro bis 2020 aufgestockt. Ursula Morgenstern, seit März 2018 die neue Vorstandsvorsitzende von Atos Deutschland, skizzierte gegenüber der FAZ, worum es dabei geht. „Mit dem Internet der Dinge und dem Vernetzen von Maschinen steigt zwangsläufig das Sicherheitsrisiko in der IT-Infrastruktur und -Technologie“, sagt die Ex-KPMG-Beraterin. Mit traditionellen Sicherheitskonzepten sei das Cyberrisiko nicht mehr zu bewältigen. Deshalb entwickelten die Automatisierungsspezialisten von Siemens und die Experten für IT-Infrastruktur und -technologie von Atos zurzeit gemeinsam auch auf der Grundlage von Künstlicher Intelligenz neue Konzepte für mehr Cybersicherheit. Schon heute bieten die beiden Partner in der Prozess- und Fertigungsindustrie den Einbau von Schutzwällen (Firewalls) und Virenschutzprogrammen sowie die permanente Überwachung von Anlagen an. Morgenstern: „Auch das Lernen der Maschinen ist eine große Herausforderung und ein riesiges Zukunftsthema.“

Durch die Kooperation mit Siemens stellt sich Atos thematisch geschickt, aber auch territorial breiter auf. Zurzeit ist Deutschland zwar noch der größte Einzelmarkt der Franzosen, vor Nordamerika, Frankreich und Großbritannien. Doch nach Auffassung der FAZ ist es nur eine Frage der Zeit, dass Deutschland von anderen Ländern auf die Plätze verwiesen wird. Bei der internationalen Expansion helfen sollen auch Akquisitionen und Übernahmen. So hat Atos beispielsweise den französischen Computerhersteller Bull übernommen, die IT-Servicesparte der amerikanischen Xerox sowie den Medizintechnik-Dienstleister Anthelio. Weitere Zukäufe sind nicht ausgeschlossen.

Um seine Marktpräsenz zu erweitern und als Dienstleister und Integrator von IT-Infrastruktursystemen unterschiedlichster Natur auftreten zu können, setzt Atos aber auch auf weitere Kooperationen. Neben Siemens knüpften die Franzosen bereits weitere erfolgreiche Allianzen mit dem Softwareanbieter SAP sowie den amerikanischen IT-Konzernen EMC und Dell. Ende April kam nun die Nachricht, dass Atos sich mit dem Internet-Konzern Google verbündet hat. Eine Koalition, die der mit Siemens ebenbürtig werden könnte. Zunächst konzentriert sich die Zusammenarbeit auf die Nutzung der Google Cloud als externes Datenzentrum. Über Google Cloud kann der IT-Spezialist seinen Unternehmenskunden künftig Dienstleistungen rund um die Themen Datenanalyse und maschinelles Lernen anbieten.

Gegenüber den Cloud-Konkurrenten AWS (Amazon) und Azure (Microsoft) hinkt Google mit seinem Cloud-Angebot zwar zurzeit deutlich hinterher. Doch Atos erhofft sich, davon zu profitieren, dass Google im privaten Nutzungsbereich mit Tablets, Smartphones und PCs weit vorne liegt. Auch für Google ist die Partnerschaft mit Atos attraktiv, können die Franzosen den Amerikanern doch die Tür zu gewerblichen Kunden weiter öffnen. 

Quelle: FAZ, Printausgabe vom 19. Juni 2018, Seite 22