Coaching zur Positionsbestimmung

Wer sich länger nicht mehr beworben hat, ist in der Regel nicht so ganz im Bilde, wie der Arbeitsmarkt aktuell so tickt: Welche Chancen hat man mit den eigenen Qualifikationen? Wie sieht eine gute Bewerbung aus?  Worauf achten Personaler? Wie gelingt ein reibungsloser Jobwechsel? — Zum Glück gibt‘s Leute, die sich mit sowas aus­kennen: Karriereberater.

Professionelle Unterstützung wird heute in vielen Bereichen ganz selbstverständlich in Anspruch genommen: Magenschmerzen be­handelt der Arzt, den defekten PC repariert ein Techniker und bei Streit mit dem Vermieter hilft der Rechtsanwalt. Bei weit reichenden beruflichen Entscheidungen – wie einem geplanten Stellenwechsel – kann professionelle Beratung genauso angebracht sein wie bei medizinischen, technischen oder juris­tischen Fragen.

Der moderne Arbeitsmarkt ist schnelllebig und komplex, mit zunehmender Technisierung und Internationalisierung entstehen immer neue, oft hoch spezialisierte Job-Profile. Wer kann schon mit Sicherheit sagen, was sich hinter Positionen wie Compliance-Officer*, Innovation Manager* oder Regulatory Affairs-Spezialist* (Übersetzung siehe unten) verbirgt und welche Qualifikationen man dafür mitbringen muss?

Berufseinsteiger wie Jobwechsler wissen oft zu wenig über die Erwartungen und Auswahlmethoden der Personalentscheider und kassieren so vermeidbare Absagen. Berufstätigen fehlt im stressigen
Arbeitsalltag oft die Zeit und der Blick von außen, um neue Job-Chancen auszuloten und sinnvolle Karriereschritte strategisch zu planen.

In den USA gilt die professionelle Karriereberatung längst als alltägliche Dienstleistung. In Deutschland ist sie noch nicht ganz so selbstverständlich, Karriereberater verzeichnen aber auch hierzulande immer stärkeren Zulauf. Die Job-Lotsen unterstützen Absolventen beim Einstieg ins Berufsleben und beraten Berufstätige bei Aufstieg und Wechsel. Gerade in persönlich schwierigen Zeiten kann die professionelle Hilfe nützlich sein, um sich nach einer Kündigung besser auf dem Bewerbermarkt zurechtzufinden und die eigenen Möglichkeiten abzuklopfen.

Zu den am häufigsten nachgefragten Angeboten für Berufseinsteiger zählt das Optimieren der schriftlichen Bewerbungsmappe. Im Einzelgespräch oder in Seminaren beantworten die Personal-Profis die entscheidenden Fragen der Bewerber: Wie formuliere ich ein überzeugendes Anschreiben und belege glaubwürdig meine Motivation? Welche Stationen erwähne ich ausführlich im Lebenslauf? Wie gehe ich mit Lücken oder Misserfolgen um? Wer bereits eine konkrete Stellenausschreibung im Visier hat, kann bei vielen Beratern seine selbst erstellten Bewerbungsunterlagen per Post oder E-Mail einreichen und vom Profi überarbeiten lassen (Preis: 50 bis 100 Euro).

Als Einstieg in eine weiterführende Beratung bieten einige Anbieter, etwa die Karriereberaterinnen Svenja Hofert (www.svenja-hofert.de) und Angela Schütte (www.jobguide.de), eine kurze Schwachstellen-Analyse sogar gratis an. In der Regel erhält der Kunde eine Rückmeldung nach wenigen Tagen. Für besonders Eilige bieten im Berliner Büro für Berufsstrategie (www.berufsstrategie.de) die Karriereberater Jürgen Hesse und Christian Schrader den Renovierungsservice sogar binnen 24 Stunden – allerdings gegen Zuschlag. Für das Erstellen einer kompletten Bewerbungsmappe unter professioneller Anleitung sollten Job-Suchende allerdings etwas mehr Zeit einplanen.

Kostengünstiger als das individuelle Einzel-Coaching ist dabei die Teilnahme an einem der zahlreichen, bundesweit angebotenen Bewerberseminare – gewissermaßen Karriereberatung light. Am Ende des Tages gehen die Teilnehmer in der Regel mit einer versandfertigen Mappe nach Hause (Kostenpunkt zirka 200 bis 250 Euro).

Folgt auf die schriftliche Bewerbung eine persönliche Einladung, ist die erste Hürde bereits genommen. Bis zur Vertragsunterschrift kann allerdings noch eine Menge schief gehen. Karriereberater trainieren deshalb mit Bewerbern auch Erfolgsstrategien für Assessment-Center und Vorstellungsgespräche.
Preiswerter als Einzeltrainings (Stundensatz 100 bis 150 Euro) sind in der Regel Gruppenangebote, die zu ähnlichen Pauschalen wie die Bewerbungsmappen-Seminare abgerechnet werden. Allein oder in der Kleingruppe spielt der Trainer mit seinen Schützlingen typische Vorstellungs­situationen durch: Mit welchen Fragen muss ich rechnen? Wie verkaufe ich mich am überzeugendsten? Wie reagiere ich, wenn der Personaler heikle Punkte anschneidet? Was bezweckt er wirklich mit scheinbar harmlosem Smalltalk?

Standortbestimmung für Berufserfahrene

Besonders empfehlenswert sind Seminare, bei denen das Gespräch per Video aufgezeichnet und ausgewertet wird, denn nervöse Gesten, ein gelangweilter Gesichtsausdruck oder eine aggressive Körperhaltung werden hier erst so richtig sichtbar und Fortschritte überprüfbar.

Berufserfahrene nehmen einen Karriere-Coach meist eher zur beruflichen Standortbestimmung und weiteren Karriereplanung in Anspruch. Das Ziel: Neue Perspektiven entwickeln oder sich mit professioneller Hilfe aus einer beruflichen Sackgasse befreien. Aber auch erfolgreiche, im Job fest etablierte Fach- und Führungskräfte, denen lediglich die Zeit, der Überblick oder die Erfahrung fehlt, ihre Karriere im Alleingang weiter voranzutreiben, sind Kandidaten für ein Coaching.

Im Einzelgespräch analysiert der Karriereberater hier zunächst persönliche Stärken und Schwächen und zeigt Entwicklungspotenzial auf. Die meisten Berater ziehen dazu wissenschaftlich abgesicherte Testverfahren heran, beispielsweise Bochumer Inventar (BIP), Reiss Profile, Myers-Briggs-Typindikator MBTI oder DISG-Modell. Gemeinsam mit dem Kunden werden anschließend persönliche Karriereziele bestimmt und die nächsten Schritte festgelegt. Das kann zum Beispiel auch eine fachliche oder persönliche Weiterbildung oder die Teilnahme an einem internen Assessment sein. Steht ein Jobwechsel an, überprüft der Karriereberater bei Bedarf auch das Arbeitszeugnis oder formuliert sogar einen aussagekräftigen Entwurf vor.

Auf Wunsch schalten sich die Berater ab einem gewissen Karrierelevel auch aktiv in die Jobsuche ein. Im Gegensatz zu Personalberatern, die im Arbeitgeberauftrag nach Kandidaten fahnden, werden Karriereberater vom Bewerber verpflichtet und bezahlt. Das Honorar für eine professionelle Jobsuche ist Verhandlungssache, üblich ist die erfolgsabhängige Vergütung (x Prozent vom neuen Gehalt) oder eine Pauschale für einen bestimmten Zeitraum (Suchauftrag für y Wochen).

Für Berufserfahrene kann solch ein professioneller Suchauftrag durchaus sinnvoll sein, für Hochschulabsolventen ist er aber meistens überflüssig, denn die Mehrzahl der für sie in Frage kommenden Positionen wird veröffentlicht.

Eine für Jobeinsteiger sehr viel nützlichere Investition ist dagegen eine umfassende berufliche Orientierungsberatung – vor allem für Kandidaten, die bislang wenig Praxisluft geschnuppert haben. Im Rahmen einer guten Einstiegsberatung (250 bis 600 Euro) erfahren Bewerber, in welchen Branchen und Positionen sie mit ihrem Profil die besten Karrierepers­pektiven haben, wie ein typischer Karriereweg verlaufen könnte oder welche Weiterbildung später vielleicht sinnvoll sind.

Außerdem lernen sie Stellenanzeigen richtig zu interpretieren: Welche Qualifikationen unbedingt verlangt sind und welche eher als nette Zugabe gelten, ist für ungeübte Bewerber nicht immer auf Anhieb ersichtlich. Doch nur wer genau weiß, was gefragt ist, kann sich auch zielsicher auf die richtigen Stellen bewerben und das Anschreiben passgenau formulieren. Für die Auswahl des passenden Beraters ist ein bisschen Recherche nötig. Ziel der Suche sollte ein erfahrener Coach mit guten, beruflichen Kontakten sein – im Idealfall ein ehemaliger Personalentscheider, der sein Wissen jetzt der Bewerberseite verkauft. Ein Preisvergleich ist sinnvoll, sollte allerdings nicht das einzige Auswahlkriterium bleiben (siehe Checkliste). Auch Verhandeln lohnt: Studenten oder Mitglieder bestimmter Verbände erhalten mitunter einen Preisnachlass. Der Jobtitel „Karriereberater“ ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Jeder kann sich so nennen. Deshalb tummeln sich unter den schätzungsweise rund 5.000 Anbietern in Deutschland auch ziemliche Nieten.

Auf der Suche nach der richtigen Adresse hilft ein Blick ins Internet deshalb oft weiter als der in die „Gelben Seiten“. Berufsverbände wie die Deutsche Gesellschaft für Karriereberater, DGfK (www.dgfk.org), oder der Deutsche Bundesverband Coaching, DBVC (www.dbvc.de), ermöglichen online die gezielte Suche in ihren Mitglieder-Datenbanken. Die gelisteten Berater verpflichten sich, festgelegte Qualitätsstandards einzuhalten.

Kirstin von Elm

So finden Sie den richtigen Karriereberater

>>Der Berater hat eine akademische Ausbildung, zum Beispiel in Psychologie oder BWL.

>> Er verfügt über eigene Berufserfahrung in Fach- und Führungspositionen.

>> Der Berater ist am Markt etabliert – zum Beispiel als Fachautor oder Referent – und kann Referenzen benennen.

>> Er ist Mitglied eines einschlägigen Branchenverbandes, dessen Qualitätsstandards – zum Beispiel regelmäßige Weiterbildung und Zertifizierungen erhält.  

>> Der Berater kann auf gute berufliche Kontakte, zum Beispiel zu großen Arbeitgebern und Branchenexperten, zurückgreifen.

>> Das Leistungsangebot ist modular aufgebaut, die anfallenden Kosten sind transparent und kalkulierbar.

>> Der Berater macht einen sympathischen, vertrauenswürdigen Eindruck und kann gut zuhören.

>> Die Chemie zwischen Ihnen beiden stimmt. Sie können sich vorstellen, mit ihm möglicherweise auch über unangenehme, persönliche Dinge zu sprechen und Ratschläge zuzulassen.