„Berater müssen sich selbst organisieren“

Julia Leendertse sprach mit Martin Schubert, Partner der Personalberatung Eric Salmon & Partners, über die aktuellen Karrierechancen von Strategieberatern.

Herr Schubert, kaum ein Markt ist so stark von Konsolidierung geprägt wie die Beraterbranche. Sind Unternehmensberater derzeit gesuchte Leute?
Die Unternehmensberatungen suchen derzeit nur sehr punktuell. Gefragt sind vor allem vertriebsstarke Partner, Principals, und immer wieder auch erfahrene Projektleiter. Grundsätzlich jedoch verläuft das Suchgeschehen in diesem Segment momentan eher ruhig. 

Wie kommt´s?
Auch wenn Beratungshäuser traditionell nach außen hin stetiges Wachstum verlauten lassen, bewegen wir uns in Deutschland doch in einem sehr gesättigten Markt. Das Geschäftsmodell der großen Managementberatungen ist vom Grundsatz her auf Wachstum ausgerichtet und verläuft nach dem Up-or-Out-Prinzip. Wenn allerdings zu viele fähige Mitarbeiter auf eine Beförderung warten, wird es in den Häusern schnell eng. 

Welche Karrierewege bleiben denn?
Das kommt darauf an, wie lange Sie schon in der Beraterbranche tätig sind. Für viele Jungtalente, die zwei, drei, vier Jahre zum Beispiel bei McKinsey oder BCG verbracht haben, erweist sich ihr erster Job in einer Strategieberatung nach wie vor häufig als gutes Fundament, um in der Industrie Fuß zu fassen. Wer jedoch schon zehn, fünfzehn Jahre im Beratungsgeschäft tätig ist, tut sich häufig schwer, auf die Kundenseite zu wechseln. Das gilt im Übrigen auch umgekehrt. Zurzeit wird so getan, als ob gestandene Industrieleute problemlos ins Beratergeschäft einsteigen könnten. Das stimmt aber nicht. Viele, die über zehn, fünfzehn Jahre in Führungspositionen in der Industrie tätig gewesen sind, finden sich im Beratungsgeschäft nicht mehr zurecht.

Woran liegt das?
Die Beratungshäuser berichten, dass viele gestandene Industriespezialisten mit der Geschwindigkeit einfach nicht zurecht kommen, die im Beratungsgeschäft nun mal herrscht. Viele sind es einfach nicht gewohnt, ohne Stab zu arbeiten. Als Führungskräfte in einem Unternehmen waren sie es gewohnt, dass zig Leute an sie berichten mussten und sie viele Arbeiten delegieren konnten. Als Berater hingegen müssen sie sich dann plötzlich vieles selbst organisieren. 

Angeblich stellen die großen Strategieberatungshäuser zurzeit doch jede Menge berufserfahrene Spezialisten ein. Die Kunden verlangen doch nach industrieerfahrenen Managern und Sie sagen: Das klappt gar nicht?
Alle Beratungshäuser suchen heute nach Lösungen, um für industrieerfahrene Spezialisten kompatibler zu werden. Doch in der Tat gestaltet sich ein Wechsel aus der Industrie in die Beratung umso schwerer, je länger jemand bereits in der Industrie gearbeitet hat. Im Visier der Managementberatungen sind deshalb vor allem Mitarbeiter, die fünf, sechs Jahre Berufserfahrung mitbringen. Danach ist ein Kulturwechsel nur noch schwer zu stemmen. Wer oben in der Hierarchie gearbeitet hat, muss ja meist auf Partnerebene einsteigen. Und hier kommt dann häufig das Problem auf die Kandidaten zu, dass sie sich in einer Vertriebsrolle wiederfinden. 50 bis 60 Prozent ihrer Zeit verbringen die Partner von Unternehmensberatungen im Gespräch mit Kunden. Viele Beratungen berichten, dass Ex-Manager sich häufig als Berater sehr schwer tun, die wichtigsten, vertriebsrelevanten Informationen in solchen Gesprächen auf den Punkt zu bringen. Genau darum geht es aber.

Partner einer Unternehmensberatung zu sein, heißt also vor allem ein Starverkäufer zu sein?
Ja, durchaus, wobei es auch immer um Inhalte geht. Erfolgreich kann man in der Beratung nur sein, wenn man ein oder mehrere Fachgebiete für sich entdeckt, für die man sich wirklich interessiert. Denn wer Managementberatung verkaufen will, muss Spaß daran haben, mit seinen Kunden darüber nachzudenken, wo genau die Lösung für ein Problem liegen könnte. Partner von Beratungsgesellschaften müssen vertriebsstark sein, aber ohne intelligente Lösungskompetenz funktioniert das Geschäft nicht. 

Wenn die Beförderungspipeline in den Beratungshäusern verstopft ist, lohnt es sich dann überhaupt noch für junge Leute in die Beratung einzusteigen?
Der Einstieg in das Berufsleben über die Beratung lohnt sich meiner Ansicht nach nur dann, wenn jemand sich wirklich für das Beratungsgeschäft begeistern kann. Wer am Projektgeschäft keinen Spaß hat, sollte direkt in der Industrie einsteigen. Was die Karrierewege für Berater angeht, die in der Beratung bleiben wollen, so nutzen viele seit einigen Jahren die Chance, Partner derselben Unternehmensberatung in den Wachstumsmärkten zu werden. Wer hier in Deutschland nicht die Chance bekommt, zum Partner aufzusteigen, kann es vielleicht in Brasilien, China, in den Vereinigten Emiraten oder Indien werden. Der Weg zurück ist allerdings nicht ganz einfach. Als Partner ist man doch sehr darauf angewiesen, dass man über ein gewachsenes Netzwerk verfügt. Und nach einigen Jahren im Ausland sind die alten Netzwerkkontakte oft nicht mehr viel wert. 

Wer also international Karriere macht, muss sich darauf einrichten, am Ende dort hängen zu bleiben?
Das kann passieren, muss aber nicht. In letzter Zeit haben viele Strategieberater, die aus dem Ausland wieder nach Deutschland zurückkehren wollten, ihre Chance bei einer der großen Wirtschaftsprüfergesellschaften bekommen. Im Beratungsgeschäft der großen Wirtschaftsprüfer geht es auf Partnerebene weniger darum, Netzwerkkontakte mitzubringen und Türen zu Neukunden zu öffnen. Die WP-Firmen verfügen häufig bereits über gute Kontakte. Sie brauchen aber Berater, die in der Lage sind, den Ball aufzunehmen, wenn eine Tür aufgeht und das können viele gestandene Strategieberater aus dem Effeff.

Das Gespräch führte Julia Leendertse