Umstrittene Karrieretipps von BCG-Chef Rich Lesser

Die Financial Times hat sich die Karrieretipps von Rich Lesser, Weltchef der Boston Consulting Group, näher angesehen. Der Schweizer Tagesanzeiger zitiert genüsslich die geballte Kritik.

Bildnachweis: BCG

Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Die Erfahrung musste jetzt der Weltchef der Boston Consulting Group (BCG) Rich Lesser machen. Bereits Ende September 2015 postete der Chef der internationalen Strategieberatung Tipps für den Karriereeinstieg von Berufsanfängern: „Mach das Beste aus deinen 20ern: Die Checkliste eines CEOs, mit der du deine Karriere beschleunigst.“ Die immer wieder vor allem von BCGlern geteilten Tipps nahm jetzt die Londoner Management-Kolumnistin der Financial Times Lucy Kellaway genüsslich auseinander.

Lessers Tipp Nummer eins, sich einen Job zu suchen, der einen wahrhaftig antreibt und befriedigt, sieht Lucy Kellaway als ebenso banal wie platt an, da er gleich drei Denkfehler enthalte, schrieb sie in der Financial Times. Niemand würde jemals jemandem empfehlen, dass er einen frustrierenden Job annehmen solle. Außerdem könnte jedermann – vor allem Berufseinsteiger – erst im Arbeitsleben feststellen, ob ein Job befriedigend ist oder eben nicht. Der Tipp helfe Berufseinsteigern also nicht weiter. Zudem lege Lesser die Latte für junge Menschen einfach zu hoch. Denn auch die besten Jobs haben ihre Schattenseiten mit frustrierenden und langweiligen Aufgaben.

Auch Lessers Tipp, einen Job anzunehmen, in dem man sich langfristig relevantes Können aneignet, fand die bekannte Financial Times-Kolumnistin daneben: Fähigkeiten und Erfahrungen werden überholt, nichts bleibt mehr als zehn oder zwanzig Jahre relevant. Noch problematischer fand Financial-Times-Autorin Lucy Kellaway Lessers Tipp, einen Job anzunehmen, bei dem man etwas bewirken kann. Für die meisten Angestellten ist es schwierig, spürbar etwas zu bewirken – und trotzdem ist kein Job sinnlos. Vor allem aber sei der Tipp, die Balance zu finden und zu behalten, wenig hilfreich, schreibt Kellaway. „Eine solche Balance existiert nirgendwo, erst Recht nicht bei BCG. Ein ehrlicher BCG-Chef hätte offen zugeben müssen, dass dort zu arbeiten schlicht heißt, persönliche Verabredungen und Partys von einem Moment auf den anderen absagen zu müssen.“

Schließlich hat Lucy Kellaway selbst einen Tipp für Berufsteinsteiger parat: Lasst es lieber langsam angehen. Das Arbeitsleben ist lang genug und ein paar falsche Abzweigungen zu nehmen, gehört zum Berufsleben einfach mit dazu.

Quelle:Tagesanzeiger, 9. August 2016