Berater sind keine Konkurrenz für Digitalagenturen

Marco Zingler (Foto), Vizepräsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft, sieht keinen Verdrängungswettbewerb zwischen Beratungshäusern und Digitalagenturen. Der Kuchen der Digitalisierung ist groß genug für alle, sagt er im Interview mit w&v.

Bildnachweis: BVDW

Die digitale Transformation der Wirtschaft hat ein neues Konkurrenzverhältnis hervorgebracht: Unternehmensberatungen wildern immer stärker im Feld der Digitalagenturen. Accenture übernahm vor Kurzem Sinner Schrader, andere Beratungshäuser wie McKinsey, BCG oder Deloitte haben eigene Digitaltöchter gegründet. Umgekehrt mischen sich Digitalagenturen immer häufiger in Fragen der Firmenstrategie ein. Bahnt sich da ein Machtkampf Agentur versus Beratung an?

Im Mai 2017 fragte die Zeitschrift w&v in einem Interview, wie Ralf Strehlau, der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU), den Versuch der Digitalagenturen einschätzt, auf dem Feld der Consultants Fuß zu fassen. Strehlau argumentierte, das Know-how der Digitalagenturen gehe meist nicht über die Marketingsicht hinaus.

Jetzt bat  w&v Marco Zingler, den Chef der Digitalagentur Denkwerk in Köln und Vizepräsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW), ebenfalls um eine Stellungnahme. Das Blatt wollte wissen, wie er das Vordringen der Consultingbranche auf das Terrain der Digitalagenturen einschätzt. Wie Strehlau gab sich auch Zingler betont gelassen.

„Die digitale Transformation ist ein umfassender Wandlungsprozess, der innerbetriebliche Strukturen und die IT-Architektur ebenso betrifft wie die direkten Schnittstellen zum Nutzer, wo Usability, Design und Frontend-Technologien im Blickpunkt stehen“, sagt Zingler im Interview mit w&v. „Die Consultingbranche hat diese Entwicklung verschlafen. Jetzt versucht sie zu Recht, Versäumtes nachzuholen.“

Bislang waren die Consultants überwiegend im Backend und im IT-Outsourcing unterwegs. Das Nutzererlebnis, das Frontend zu Kunden, blieb in den Beratungsmandaten meist unberührt. Die Unternehmensberatungen hätten erst spät erkannt, dass sich die Schauplätze der digitalen Transformation nicht isoliert betrachten lassen, sondern ineinander greifen.

Einen Verdrängungswettbewerb gebe es deshalb aber nicht: „Der Kuchen ist groß genug für alle, und der Markt wächst weiterhin gigantisch.“ So würden Beratungsunternehmen mit ihrer neuen Digitalkompetenz auch „fabelhafte Geschäfte“ machen, aber in Bereichen, in denen es nur wenige Überschneidungen mit Agenturen gibt. Klar ist für Zingler aber auch: „Projekte der digitalen Transformation sind weder spezifisches Terrain der Consultants noch der Agenturen. Gefragt sind Problemlöser.“ Zingler hält es für naheliegend, dass sich in einigen Jahren „große Beratungshäuser große Kreativagenturen einverleiben werden – und genauso umgekehrt“.

Quelle: https://www.wuv.de/agenturen/marco_zingler_die_consultingbranche_ist_ein_bisschen_spaet_dranw&v, 7. Juni 2017